Die echten Sedemunds by 4792_Ernst Barlach
Autor:4792_Ernst Barlach [4792_Ernst Barlach]
Die sprache: deu
Format: epub
60 V. Bild.
Kirchhof. Platz vor dem Sedemundschen Erbbegräbnis, gleichsam einer Prunkvilla für die Toten des Geschlechts. Links schneidet eine zaunartige dichte Hecke ein Stück Kirchhof ab, der Kehrichtplatz des Friedhofes, der Begräbnisort für Selbstmörder. Der junge Sedemund und Frau Grude.
Der junge Sedemund: Ich denke denn doch, schlieÃlich klingt alles im All zum schönsten Ohrenschmaus zusammen â nur der Rest ist Schweigen.
Frau Grude: Der Rest?
Der junge Sedemund: Ja, der Rest gehört doch auch dazu, die Pause, die Atem- und Schöpfungspause, die Höhlen des Nichts, die das herrliche Was gliedern. Solch ein Rest ist mein Onkel, ein Schweigen im All, trotz der Munterkeit seines Mundwerks, eine Pause â und â mein Vater, wer weiÃ, vielleicht klagt's, klingt's oder klappert's bei ihm irgendwo und kündigt Besseres.
Mankmoos, sich fortwährend umsehend, stolpert atemlos heran. Frau Grude tritt abwartend ein wenig zurück.
Mankmoos hält sich an Sedemund fest.
Sedemund: Mann, was ist Ihnen?
Mankmoos starrt ihn blöde an: Mann? Meinen Sie mich?
Sedemund: Na, wenn es sonst nicht stimmt, sind Sie doch der Mann von Ihrer toten Frau; warum drücken Sie sich so dicht an mich?
61 Mankmoos: Sie hetzt mich hin und her.
Sedemund: Hetzt, wer hetzt?
Mankmoos: Sie, von die Sie sagen, sie war tot. Ich höre hier Schritte und da Schritte und wenn ich umschau â â
Sedemund: Dann ist es Ihre Frau?
Mankmoos: Sie geht um â immer um mich herum, wer sollte es sein, wenn sie es nicht wäre? Wenn da nichts ist, was doch was ist, dann denk ich, sollte lieber der Löwe da laufen. Erblickt Frau Grude, erschrocken: Was â will â die â die â da?
Sedemund: Es ist Frau Grude â Mensch, machen Sie Ihre Augen auf.
Mankmoos: Aber was will sie von mir? Meine Frau hat mir alle Kinder auf 'n Hals geladen, und da sitz ich nu mit zu und kann zusehen, wie sie zu Gange kommen; und von wem soll ich selbst was für mich kriegen?
Frau Grude: Hier scheint sich auch so ein Rest aufzutun, Herr Sedemund, wie können die armen Kinder dafür büÃen müssen, daà ihr Vater so ein Rest von einem Mann ist?
Sedemund: Es wundert mich doch, daà seine Gedanken sich in Form und Gestalt seiner Frau fügen. Ein Rest merkt nichts. Sehen Sie, da ist sie. Spricht zu Mankmoos' Entsetzen in die leere Luft. Ja, Frau Mankmoos, es kommt alles in Ordnung, und die Kinder sollen nicht verkümmern. Frau Grude verspricht es auch. Frau Mankmoos, lassen Sie Ihren Mann nun in Frieden. Zu Mankmoos: Sagen Sie ihr, daà Sie für Ihre Kinder sorgen wollen, sprechen Sie, aber laut.
Mankmoos bebend: Ja â Line â ja â ja â, ich will ja, 62 laà mich man machen. Grete soll gleich ein gutes schwarzes Kleid kriegen.
Sedemund: Sie winkt, kehrt zufrieden um â und nun ist sie fort. Sie sind den Geist los, Mankmoos, aber denken Sie daran, daà sie Frieden findet. Sie gehen nachher mit mir, ich will sehen, was ich für Sie tun kann.
Mankmoos wankt hinter die Selbstmörderhecke.
Sedemund: Da ist das Abseits, wo die Selbstmörder liegen â in ungeweihter Erde; ein Wort, das wider uns aufstehen will, wie der Geist von Mankmoos' Frau wider ihren Rest von Mann.
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