Die Beute by Dirk Husemann

Die Beute by Dirk Husemann

Autor:Dirk Husemann [Almstädt, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2021-09-15T00:00:00+00:00


Kapitel 27

PARIS,

14. JUNI 1940

Die sinkende Sonne flimmerte durch die Zweige der Pappeln an der Rue de Lille. Vor der Deutschen Botschaft parkte eine Flotte schwarzer Limousinen. Die Fahrer standen beisammen und unterhielten sich. Vom Fenster aus konnte Curt ihre ausrasierten Nacken sehen. In ihren grauen Uniformen erinnerten ihn die Männer an Nagetiere.

Jenseits der Häuserzeile, auf die er blickte, floss die Seine, und dahinter wusste er die Gärten der Tuilerien und den Louvre – mit seinen leeren Galerien.

Curt seufzte, dann wandte er sich wieder dem Salon der Botschaft zu. Das Haus gehörte ihm, die Stadt gehörte ihm. Er war am Ziel, hatte erreicht, was er wollte, für sich selbst und vor allem für Ursula, die sich jetzt bei ihm einhängte.

»Komm«, sagte sie, »wir wollen unsere Gäste begrüßen.« Auf ihren Lidern lag etwas zu viel Puder, sodass die Haut faltig aussah.

Er ließ sich von ihr fortziehen, zu den Offizieren hinüber. Die Spitze des deutschen Heereskommandos war gekommen, um den Sieg über Frankreich zu feiern, die Eroberung von Paris sowie die Zukunft der rassischen Idee und des völkischen Gedankens.

Curt war übel. Seit er gestern im Louvre gewesen war, hatte sich sein Triumph in Unwohlsein verwandelt. Diese leeren Säle! Das war der wirkliche Triumph gewesen, aber er gehörte dem Feind. Die Franzosen hatten obsiegt.

Curt schüttelte den Gedanken an das Museum ab. Damit musste er später fertig werden. Jetzt galt es, mitzuspielen und den Eroberer zu geben, den Sieger, der schon immer gewusst hatte, dass …

»… wir den Franzosen überlegen sind«, begann er kurz darauf seine Ansprache und fuhr mit den neuesten Berichten zur Lage fort. Die französische Regierung sei nach Bordeaux geflohen und müsse nun entscheiden, ob sie kapitulieren oder weiterkämpfen wolle. Auf der einen Seite stehe Premierminister Reynaud, der Frankreich weiter gegen die Wehrmacht verteidigt wissen wollte. Auf der anderen Seite setzte sich der stellvertretende Premierminister Henri Philippe Pétain für einen Waffenstillstand mit Deutschland ein.

»Was glauben Sie, welche Seite gewinnen wird?«, fragte einer der Offiziere.

Curt war auf die Frage vorbereitet. »Pétain natürlich. Er ist derjenige, dem man die größere Sachkenntnis zutraut. Er hat im Großen Krieg Herausragendes geleistet und gilt als einer der größten Helden der jüngeren französischen Geschichte. Überdies«, fuhr Curt mit listigem Blick fort, »ist er vierundachtzig Jahre alt. Und die Franzosen glauben tatsächlich, dass alte Männer weise sind. Kein Wunder, dass sie den Krieg verlieren.«

Die Militärs applaudierten, Champagnergläser klirrten. Für Curt hörte es sich an wie das Fallbeil einer Guillotine. Die war doch in Paris erfunden worden. Er lachte laut auf und erntete fragende Blicke.

»Was amüsiert Sie, Obersturmbannführer?«, fragte Alfred von Vollard-Bockelberg. Der rauhäutige General war ein muskulöser alter Vogel und als Militärbefehlshaber von Paris mit noch mehr Macht ausgestattet als der Botschafter.

Curt setzte ein Siegerlächeln auf. »Ich dachte gerade an ein Bonmot über die Frauen von Paris. Wissen Sie, was man sich über sie erzählt?«

»Dass sie schön sein sollen?«, fragte Vollard-Bockelberg, dessen Gesprächsbeiträge für gewöhnlich den Esprit einer Haubitze hatten.

»Dass sie nichts gegen Männer haben. Wohl aber gegen die Ehe.«

Die Gäste lachten pflichtschuldig. »Willkommen in Paris, meine Herren.« Curt gab das Zeichen, und das Streichquartett begann zu spielen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.