Diary on Tour - Diary und Poetry (German Edition) by Michael Modler
Autor:Michael Modler [Modler, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-04T00:00:00+00:00
7. Kapitel
Minutenlang schwiegen wir und beobachteten den immer weniger werdenden Verkehr, der auf der A61 in Richtung Norden rollte. Meine Bluse war so gut wie trocken, dafür wurden meine Augen feucht. Die Erleichterung bahnte sich ihren Weg und in ihrem Schlepptau folgte eine wohltuende Müdigkeit.
Diego schien von all dem nichts mitzubekommen. Sobald auf der linken Spur ein Fahrzeug überholte, senkte er kaum merklich den Kopf und sah zum Fahrer hinüber. Wenn er wieder aufblickte, glaubte ich in seinen Augen jene Fragen zu erkennen, die auch mich seit Jahren beschäftigten. Was, wenn Poetry ganz nah war und ich es nicht merkte? Würde diese Chance jemals wiederkommen?
Diego durchbrach die Stille mit einem Räuspern. »Hast du denn nie versucht, ihn ausfindig zu machen?«
»Ich kenne nicht mal seinen richtigen Namen. Auf beiden Briefen fehlte der Absender.«
»Hast du es über den Poststempel versucht?«
»Ein Brief wurde in Feucht, der andere in Ingolstadt aufgegeben.«
»Liegt beides an der A9. Womöglich arbeitet er im AuÃendienst. Am Ende ist er sogar ein Fernfahrer.«
»Selbst wenn. Es bleibt die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.«
»Ich könnte mich mal umhören. Es gibt gewiss nicht viele Trucker, die mal im Kloster waren.«
»Ich glaube, er möchte nicht gefunden werden. Noch nicht.«
»Du meinst, er muss sich erst von Frau und Kind trennen. Glaub mir, so was geht schnell, ich spreche aus Erfahrung.« Diegos Blick fiel auf das Fotoherz.
Es dauerte einen Moment, ehe ich begriff, dass wir nun in Diegos Raum standen und es einen guten Grund gab, wieso seine siebzehnjährige Tochter auf den Bildern so jung aussah. »Das waren wohl noch bessere Zeiten.«
»An manchen Tagen kommt es mir so vor, als läge diese Zeit Jahrzehnte zurück, an anderen habe ich das Gefühl, diese Bilder wurden gestern aufgenommen.«
»Und wie alt sind sie wirklich?«
»Zwei Jahre. Es war unser letzter gemeinsamer Sommer.«
Im ersten Augenblick kam es mir töricht vor, wie Diego sich an eine Zeit klammerte, die längst vergangen war, und ich war drauf und dran, ihm dies in aller Deutlichkeit zu sagen. Doch, noch ehe ich den Gedanken formulieren konnte, erinnerte mich mein Notizbuch daran, dass ich nichts anderes tat. »Sie sollten zumindest von Ihrer Tochter aktuelle Bilder aufhängen. Bestimmt hat sie längst eine neue Frisur, trägt andere Klamotten und schminkt sich. Es verändert sich so viel in ihrem Alter.«
»Und ich bekomme von all dem nichts mit. Als der Streit vor Gericht ging, hat sie sich eine Auszeit erbeten. Diese dauert jetzt schon siebzehn Monate und einundzwanzig Tage.«
»Sie steht zwischen den Stühlen und muss erst mal selber klarkommen. Vielleicht wäre es an Ihnen, einen neuen Anlauf zu wagen.«
»Irgendwie kann ich sie auch verstehen. Vor Gericht ist für sie eine Welt zusammengebrochen. Vieles hörte sie dort zum ersten Mal.«
»Sie sind fremdgegangen.«
»Mehrfach, aber das war nicht das Problem.«
»Sondern?« Plötzlich war ich wieder hellwach.
»Mir ist die Hand ausgerutscht.« Diego schnaufte. »Das hört sich so harmlos an, also sagen wir es, wie es ist. Ich habe meine Frau geschlagen. Ein einziges Mal, im Suff. Doch das reichte, um alles, was uns noch zusammenhielt, zu zerstören.«
»Ehrlich gesagt kann ich Ihre Frau verstehen.«
»Ich auch, das ist ja das Schlimme.
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