Der Weg entsteht unter deinen Füßen: Achtsamkeit und Mitgefühl in Übergängen und Lebenskrisen by Reddemann Luise & Wetzel Sylvia

Autor:Reddemann, Luise & Wetzel, Sylvia [Reddemann, Luise & Wetzel, Sylvia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Esoterik, Meditation & Yoga, Östliche Meditation, Ratgeber, Lebensführung, Lebenshilfe, Religion & Glaube, Ratgeber/Lebenshilfe, Alltag/Lebensführung, Persönliche Entwicklung, gekauft
ISBN: 9783451610851
Herausgeber: Kreuz Verlag
veröffentlicht: 2011-09-26T22:00:00+00:00

Solange wir unser Selbstbild und vor allem unser Selbstwertgefühl auf unbeständige Erfahrungen bauen, auf das, was kommt und geht und was sich unablässig verändert, finden wir nie Sicherheit. Wir können aber lernen, aus einer engen Identifikation mit wechselnden Körperempfindungen und Gefühlen, Gedanken und Mustern herauszufinden und die offene Dimension zu entdecken, in der wir selbst und alles, was es gibt, erscheinen. Diese Dimension nennt man wahres Wesen oder Buddha-Natur.

Vier Schleier hindern uns daran, den lebendigen Raum wahrzunehmen oder uns seiner innezuwerden: Erstens das Ignorieren der Tiefendimension unseres Geistes, der offenen Dimension jenseits von Worten und Begriffen, Buddha-Natur, zweitens unser übertriebenes Gefühl von Getrenntheit, drittens unsere Ansichten und emotionalen Muster und viertens unsere Gewohnheiten. Die Übung besteht darin, diese vier Schleier im Alltag und in der systematischen Meditation zu entdecken, sie zu erforschen und durch die für uns geeigneten Methoden zu lüften. An dieser Stelle werde ich die vier Schleier nur kurz vorstellen, die ich an anderer Stelle ausführlicher beschrieben habe (Leichter Leben).

Erstens: Der Schleier vor Buddha-Natur oder das Ignorieren unserer Tiefendimension. Eine Grundannahme aller buddhistischen Traditionen besagt, dass alle Menschen potenziell Zugang haben zu dieser Dimension, die wir in westlichen Begriffen und etwas vereinfacht Urvertrauen nennen können. Ein Vers aus dem Frühen Buddhismus spricht vom Ungeborenen, nicht Bedingten, nicht Geschaffenen, und weist damit darauf hin, dass dies nicht neu hergestellt werden muss. Diese Dimension ist immer da, denn sie ist die Tiefendimension oder die Natur des Geistes. Sie wird im buddhistischen Dzogchen als offen, klar und feinfühlig bezeichnet. Die Natur des Geistes hat natürlich keine Eigenschaften, denn sie ist jenseits von Worten und Begriffen, aber durch diese drei Erfahrungen können wir uns ihr annähern. Offen bedeutet auch leer von allen Zuschreibungen und unfassbar, denn die Natur des Geistes kann nie Objekt unseres Wissens sein, da sie die Grundlage jeder Erfahrung ist, auch des Verstehens. Auf unseren Alltag bezogen heißt das: Ich kann letztlich keine Erfahrung mitteilen, denn Leben ist ein Wunder, ein Geheimnis. Staunen ist ein sicherer Weg zu dieser Dimension ebenso wie auch alle Meditationen über die Natur des Geistes. Ebenso Erfahrungen von Liebe, Dankbarkeit und Freude, denn »im Augenblick der Liebe scheint das wahre Wesen auf«, sagt der Dritte Karmapa, ein tibetischer Meister aus dem 14. Jahrhundert.

Zweitens: Der zweite Schleier ist der Schleier des Gefühls der übertriebenen Getrenntheit. Wir fühlen uns in einer übertriebenen Weise getrennt von anderen Menschen, von der Natur, ja von uns selbst. Das nennt die Tradition Dualität oder dualistische Sicht. Das ist der Glaube, die Unterscheidung von Subjekt und Objekt sei keine Zuschreibung, sondern wirklich wahr. Wir stärken diesen Schleier, wenn wir primär auf Unterschiede schauen, auf das, was uns trennt, auf das, was kommt und geht. Das ist eine reduzierte Sicht, denn wenn wir das glauben, glauben wir nur dem Verstand. Dann reduzieren wir unser Leben und unsere Erfahrungen, uns selbst und die anderen Menschen auf das, was wir darüber denken. Wenn wir Gedanken als Gedanken erkennen, begreifen wir mit der Zeit, dass auch das Gefühl der übertriebenen Getrenntheit eine Vorstellung, ein ungültiges Konzept ist.

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