Der Strahlende Kaiser I - She Who Became the Sun by Parker-Chan Shelley

Der Strahlende Kaiser I - She Who Became the Sun by Parker-Chan Shelley

Autor:Parker-Chan, Shelley [Parker-Chan, Shelley]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Cross Cult
veröffentlicht: 2023-11-06T00:00:00+00:00


Im Mondlicht leuchteten die Gers silbrig. Aus ihren Kronen stiegen Rauchfahnen und schlängelten sich in die Dunkelheit empor wie Himmelsflüsse. Ouyang wusste, wo er Esen finden würde. Die Pferde des Fürsten von Henan dösten in einer langen Reihe; ihre Führstricke hingen von einem Seil, das übermannshoch zwischen zwei Pfosten gespannt worden war. Eine einsame Gestalt stand dort, den großen, schattenhaften Umrissen der schläfrigen Tiere zugewandt.

Esen blickte sich nicht um, als Ouyang sich näherte. Er streichelte die Nase seines Lieblingspferdes, eines großen braunen Hengstes, der im Mondlicht pechschwarz aussah. Das Pferd drehte die Ohren in Ouyangs Richtung, beinahe zumindest, als würde es ebenfalls etwas hinter ihm wahrnehmen. Ein beunruhigender Gedanke. Ouyangs eigene Stute stand ein Stück weiter die Reihe hinunter. Kaum hatte sie Ouyang bemerkt, da drängte sie sich auch schon zu ihm durch und stupste ihn mit der Nase an. Die Stallburschen würden sich morgen früh über die verhedderten Führstricke ärgern.

Esens Schultern waren verspannt, das Elend war ihm deutlich anzusehen. Es fiel Ouyang nicht schwer, sich auszumalen, was sich unlängst zwischen dem Fürsten und seinen Söhnen abgespielt haben musste. Er betrachtete Esens edles Profil und wollte nichts sehnlicher, als ihn in seinem Leid zu trösten. Wie weh es tat, ihn so zu sehen! Er versuchte sich vorzustellen, wie dieser Schmerz sich anfühlen mochte, wenn er verhundertfacht würde, vertausendfacht, verzehntausendfacht. Es gelang ihm nicht. Ich bin immer noch betrunken.

»Euer Vater und Prinz Wang«, sagte er. »War es schlimm?«

Esen seufzte. Von seiner üblichen Forschheit war nichts zu spüren. Ouyang fühlte sich beraubt – als wäre er morgens nach dem Feuer sehen gegangen, hätte aber keine glühenden Kohlen im Ofen gefunden, sondern nur kalte graue Steine. Es machte ihn traurig.

»Also weißt du, was passiert ist … Natürlich. Und alle anderen?«

»Sie vermuten es bloß. Täuschen sie sich?«

Esen blickte Ouyangs Stute an. »Welchen Namen hast du ihr gegeben?«

»Gar keinen.« Ouyang rieb der Stute die Nase. »Was würde das bringen?«

Esen lachte trübselig. »Findest du das nicht kalt?«

»Gebt Ihr Eurem Schwert einen Namen? Männer hängen ihr Herz zu sehr an ihre Pferde. Wir haben Krieg – Schlachtrösser sterben eher früher als später.«

»Schön, dass du mein Geschenk so wertzuschätzen weißt«, sagte Esen trocken.

Trotz seiner Bedrücktheit musste Ouyang lächeln. »Sie ist wunderbar. Und ich schätze den Schenker umso mehr.«

»Es ist ganz normal, dass Leute ihr Herz an ihre Pferde hängen. Oder an andere Leute.« Wieder seufzte Esen. »Du bist die Ausnahme. Immer stößt du alle von dir! Was findest du nur an der Einsamkeit? Ich könnte sie nicht ertragen.« Es war beinahe still im Lager. Ab und zu schnaubte eins der Pferde. Nach langem Schweigen sagte Esen: »Vater hätte ihn umgebracht, wäre ich nicht gewesen.«

Der Fürst war zweifelsohne dazu fähig. Esen würde es jedoch niemals zulassen. Ein Gefühlsgemisch überwältigte Ouyang: Wärme, Sehnsucht und Schmerz. Er konnte kaum atmen.

»Vorher habe ich es nie geglaubt«, sagte Esen. »Sie hatten eben ihre Streitigkeiten. Aber ich war sicher, man könnte sie miteinander aussöhnen.«

Wie gern hätte Ouyang diese Reinheit beschützt. Esens großes Herz, seinen vertrauensvollen Glauben an alles und jeden. Er zwang sich zu sagen: »Ihr müsst Euch vor Wang Baoxiang in Acht nehmen.



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