Der Spuk im Pfarrhaus zu Cleversulzbach (German Edition) by Eduard Mörike

Der Spuk im Pfarrhaus zu Cleversulzbach (German Edition) by Eduard Mörike

Autor:Eduard Mörike [Mörike, Eduard]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-18T23:00:00+00:00


* * *

So viel aus dem Diarium, das hie und da von mir ergänzt wurde. Im folgenden Jahr bricht es ab, weil ich schwer und auf lange erkrankte.

Schlimmer als im Jahr 1834 ist auch das Spukwesen nachher und bis auf die jetzige Zeit niemals geworden; vielmehr hat es sich inzwischen seltener, obwohl nicht weniger charakteristisch geäußert. Merkwürdig ist, daß es sich meist gegen den Herbst und im Winter vermehrt, im Frühling und die Sommermonate hindurch auch wohl schon ganz ausblieb. Der Zeitpunkt morgens früh 4 Uhr ist, nach meinen Beobachtungen, vorzugsweise spukhaft. Sehr häufig endigen auch die nächtlichen Störungen um diese Zeit mit merklichem Nachdruck.

Eine Erfahrung aus neuerer Zeit, welche mein gegenwärtiger Amtsgehilfe, Herr Sattler, in dem mehrerwähnten Zimmer auf der Gartenseite machte, soll hier mit seinen eignen Worten stehn.

»Ich war am 29. November 1840 abends um 8 ½ Uhr zu Bette gegangen und hatte sogleich das Licht gelöscht. Ich saß nun etwa ½ Stunde noch aufrecht im Bette, indem ich meine Gedanken mit einem mir höchst wichtigen Gegenstande beschäftigte, der meine ganze Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm, daß er keiner Nebenempfindung Raum gab. Weder den Tag über, noch besonders solange ich im Bett war, hatte ich auch nur im entferntesten an Geisterspuk gedacht. Plötzlich, wie mit einem Zauberschlage, ergriff mich ein Gefühl der Unheimlichkeit, und wie von unsichtbarer Macht war ich innerlich gezwungen, mich umzudrehen, weil ich etwas an der Wand zu Haupte meines Bettes sehen müsse. Ich sah zurück und erblickte an der Wand (welche massiv von Stein und gegipst ist), in gleicher Höhe mit meinem Kopfe, zwei Flämmchen, ungefähr in der Gestalt einer mittleren Hand ebenso groß, nur nicht ganz so breit und oben spitz zulaufend. Sie schienen an ihrem unteren Ende aus der Wand herauszubrennen, flackerten an der Wand hin und her, im Umkreis von etwa 2 Schuh. Es waren aber nicht sowohl brennende Flämmchen als vielmehr erleuchtete Dunstwölkchen von rötlichblassem Schimmer. Sowie ich sie erblickte, verschwand alles Gefühl der Bangigkeit, und mit wahrem Wohlbehagen und Freude betrachtete ich die Lichter eine Zeitlang. ›Ob sie doch wohl brennen?‹ dachte ich, und streckte meine Hand nach ihnen aus. Allein das eine Flämmchen, das ich berührte, verschwand mir unter der Hand und brannte plötzlich daneben; drei-, viermal wiederholte ich den nämlichen Versuch, immer vergeblich. Das berührte Flämmchen erlosch jedesmal nicht allmählich und loderte ebenso wieder nicht allmählich sich vergrößernd am andern Orte auf, sondern in seiner vollen Gestalt verschwand es, und in seiner vollen Gestalt erschien es wieder daneben. Die zwei Flämmchen spielten hie und da ineinander über, so daß sie eine größere Flamme bildeten, gingen aber dann immer bald wieder auseinander. So betrachtete ich die Flämmchen vier bis fünf Minuten lang, ohne eine Abnahme des Lichts an ihnen zu bemerken, wohl aber kleine Biegungen und Veränderungen in der Gestalt.

Ich stand auf, kleidete mich an, ging zur Stube hinaus (wo ich in der Türe noch die Lichter erblickte) und bat den Herrn Pfarrer, der im vorderen Zimmer allein noch aufwar, zu mir herüberzukommen und die Erscheinung mit anzusehen.



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