Tortilla Flat by Steinbeck John

Tortilla Flat by Steinbeck John

Autor:Steinbeck, John [Steinbeck, John]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


10

Wie die Freunde einen Korporal trösteten

und zum Entgelt eine Lehre

über Elternmoral davontrugen

Jesus Maria Corcoran war ein Schrittmacher für Menschlichkeit. Wo er Leiden wahrnahm, suchte er es zu lindern; Kummer half er besänftigen, und jedes Glück teilte er.

Es gab nichts Hartes und keine Heimsuchungen in der Seele Jesus Marias. Sein Herz war offen für jeden, der Bedarf danach hatte. Seine materiellen und geistigen Mittel standen jedem zur Verfügung, der mit dem einen oder anderen weniger gesegnet war als Jesus Maria.

Er war es, der José de la Nariz zehn Meilen weit heimtrug, als José das Bein gebrochen hatte. Als Mrs. Palochico ihre Lieblingsziege, die brave Spenderin von Milch und Käse, verloren hatte, war es Jesus Maria, der die Spuren des Tieres bis zu Big Joe Portagee verfolgte, dem Mörder Einhalt gebot und Big Joe veranlaßte, sie zurückzubringen. Jesus Maria endlich war es, der Charlie Marsh aus dem Graben holte, wo er in seinem eigenen Dreck lag – eine Tat, die nicht nur ein warmes Herz, sondern auch starke Eingeweide brauchte.

Zu Jesus Marias Fähigkeit, Gutes zu vollbringen, kam noch die Gabe, in Lagen zu geraten, wo es nötig war, Gutes zu tun.

Er genoß einen solchen Ruf, daß Pilon eines Tages sagte:

»Wenn Jesus Maria zur Kirche ginge, hätte Monterey einen Heiligen mehr im Kalender.«

Aus der Tiefe seiner Seele schöpfte Jesus Maria einen Schatz an Güte, der sich von innen erneuerte, wenn er sich in sich selbst zurückzog.

Jesus Maria hatte die Gewohnheit, täglich zum Postamt zu gehen: erstens, weil er dort viele Bekannte traf, und zweitens, weil man an der windigen Ecke des Postgebäudes viele Mädchenbeine beobachten konnte. Man sehe nichts Vulgäres in diesem Interesse. Ebensogut könnte man einen Menschen tadeln, der Gemäldesammlungen oder Konzerte besucht. Jesus Maria hatte Freude am Betrachten der Mädchenbeine.

Eines Tages hatte er zwei Stunden lang gegen das Postgebäude gelehnt gestanden, doch mit sehr geringem Erfolg, als er Zeuge einer mitleiderregenden Szene wurde. In der Seitenstraße sah er einen Polizisten einen etwa sechzehnjährigen Jungen abführen; der Junge trug, in ein graues Tuch gehüllt, ein kleines Kind.

Der Polizist sagte: »Es ist mir gleich, wenn ich dich nicht verstehen kann. Du darfst nicht den ganzen Tag im Rinnstein sitzen. Wir werden schon herausfinden, was mit dir los ist.«

Der Junge entgegnete auf spanisch mit eigenartigem Tonfall:

»Aber Señor, ich tue doch nichts Unrechtes. Warum führen Sie mich ab?«

Nun erblickte der Polizist Jesus Maria.

»Heda, Paisano«, rief er ihn an. »Wovon redet dieser Cholo?«

Jesus Maria trat heran und fragte den Jungen: »Kann ich dir mit etwas dienen?«

Wie befreit brach der Angeredete in einen Wortschwall aus.

»Ich bin zur Arbeit hergekommen. Leute in Mexiko hatten mir gesagt, hier gebe es Arbeit. Aber ich habe keine gefunden. Ich hatte mich zum Ausruhen niedergesetzt, als dieser Mann kam und mich fortschleppte.« Jesus Maria nickte und wandte sich dem Polizisten zu.

»Hat der Kleine etwas verbrochen?«

»Nein, aber ungefähr drei Stunden im Rinnstein der Alvarado Street gesessen.«

»Er ist ein Freund von mir«, erklärte Jesus Maria. »Ich will mich weiter um ihn kümmern.«

»Nun, sorgt, daß er sich nicht wieder in den Rinnstein setzt.«

Hierauf gingen Jesus Maria und sein neuer Freund den Hügel hinan.



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