Der neue Pitaval : Teil 15 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Der neue Pitaval : Teil 15 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Autor:Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig [Alexis, Willibald & Hitzig, Julius Eduard]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sammlung, Reportage
Herausgeber: Brockhaus
veröffentlicht: 1859-12-31T23:00:00+00:00


* * *

Vor dem Instructionsrichter stellte Papavoine entschieden jede Betheiligung an der That in Abrede. Er bestritt die Aussagen gegen ihn als ganz falsch, oder suchte sie anders zu erklären, und verrieth dabei eine Klarheit und Schärfe des Verstandes, ja eine Geschicklichkeit, die nicht gewöhnlich war.

Bei diesem Ableugnungssysteme verblieb er vom 10. October bis zum 15. November, ohne sich zu widersprechen. Von dem Tage an verfiel er, zur Ueberzeugung gekommen, daß Jenes ihm nicht mehr gegen die Masse von Beweisen helfen könne, ja daß es seine Lage sehr verschlimmere, in ein neues System, welches er mit eben so viel Geschicklichkeit entwickelte.

Papavoine erklärte, er habe wichtige Entdeckungen zu machen, von einer Wichtigkeit, deren sich Niemand versehen werde. Bedingung aber sei: daß er sie nur in Gegenwart zweier erlauchten Prinzessinnen mache. Der Respect vor ihrem Range und die Criminalformen gestatteten das aber nicht; auch scheint man von Anfang an nicht großen Glauben dieser Andeutung geschenkt zu haben, daß ein politisches Verbrechen hier zum Grunde liege.

Als man es abschlug, bat er wenigstens um die Gunst, vor einer der beiden Prinzessinnen allein erscheinen zu dürfen. Auch das ward nicht gewährt. Er mußte sprechen.

Er bekannte jetzt, ja er sei der Mörder der beiden Kinder, aber er habe sich furchtbar getäuscht, indem er das Blut der beiden unschuldigen Knaben der Demoiselle Hérin vergossen, seine Absicht sei gewesen: die beiden Kinder der königlichen Familie umzubringen.

Diese Erklärung täuschte Niemand. Ihr widersprachen die Thatsachen, Papavoine’s politische Ansichten, die Wahrscheinlichkeit selbst. Es war nur ein neues System der Vertheidigung: er wollte sich den Schein eines Rasenden geben.

Er fuhr in diesem Systeme fort. Ungefähr um dieselbe Zeit sollten ihm seine Mitgefangenen ein Messer verschaffen, aber ein recht scharfes. Einst sprang er in der Nacht auf und gab vor, er suche nach einem solchen Messer. Dann versuchte er sein Bett in Brand zu stecken. Am 17. November riß er wirklich einem Mitgefangenen ein Messer aus der Hand und stieß damit auf einen jungen Menschen, Labiey, der ihm nichts gethan hatte. Man verhinderte ihn glücklicherweise an einer neuen Mordthat, dennoch hatte er ihm gefährliche Verwundungen beigebracht. – Einer der Verbrecher, die neue Verbrechen begehen, um darin Rechtfertigungsgründe für ein älteres sich zu präpariren.

Die schwierigste Aufgabe der Anklageacte war, die Beweggründe, die Papavoine zu der entsetzlichen That getrieben, aufzufinden. Sie stellte folgende Fragen:

»Ist Papavoine der allein Schuldige, oder hat er Mitschuldige, Urheber seiner That, oder ist er gar nur ein Werkzeug Anderer?

»Alle deshalb aufgestellte Vermuthungen sind von der Justiz aufs sorgfältigste geprüft worden, um die Wahrheit zu erforschen.

»Die allgemeine Ursach der Verbrechen ist das Verbrechen. Welches Interesse kann Jemand gehabt haben, zwei arme uneheliche Kinder umzubringen? Ist Papavoine nur ein Werkzeug, von Andern ausgeschickt, so kann es nur die Familie Gerbod sein, – denn es ist Pflicht, vor keiner Vermuthung zurückzuschrecken, – welche ihm den Auftrag ertheilt, um eine ihr verhaßte Heirath zu verhindern.«

Die Anklageacte weist diese Vermuthung aus moralischen und juridischen Gründen vollständig zurück.

»Wenn nun aber Papavoine keine Mitschuldige hat, was kann ihn persönlich getrieben haben?«

»Er hat gewagt ein Motiv aufzustellen, was uns zittern macht.



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