Der Machdi by Hohlbein Wolfgang

Der Machdi by Hohlbein Wolfgang

Autor:Hohlbein, Wolfgang [Hohlbein, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783802584947
Herausgeber: LYX
veröffentlicht: 2011-10-06T22:00:00+00:00


Kapitel21

D

en Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Er hatte ganz instinktiv vorausgesetzt, dass ihr Ziel die Pyramiden waren, doch ein gutes Stück davor schwenkte Murida nach rechts, näherte sich wieder dem Fluss und stieg schließlich aus dem Sattel und bedeutete ihnen mit einer wortlosen Geste, ihr zu folgen. Wieder spürte Andrej, wie sich die Dunkelheit hinter ihnen bewegte, doch er sah sich nicht um.

»Wohin bringst du uns, schönes Kind?«, erkundigte sich Abu Dun.

Murida würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, sondern eilte nur so rasch voraus, dass sie fast schon Mühe hatten, nicht zurückzufallen. Der Boden war hier nicht steinig, wie im übrigen Teil der Wüste, die den schmalen grünen Streifen am Ufer des Nils seit Menschengedenken bestürmte, sondern von fast staubfeinem Sand bedeckt, in dem sie bei jedem Schritt bis an die Knöchel einsanken. Wind kam auf und blies ihnen feinen Sand ins Gesicht. Und da waren noch andere Dinge, die sich im Schutz dieser staubfarbenen Schwaden bewegten und sie belauerten.

»Wohin bringst du uns, o du holde Rose des Orients?«, fragte Abu Dun noch einmal und in einem Ton, der die spöttische Wahl seiner Worte Lügen strafte. »Nichts gegen deine Gesellschaft, schönes Kind, aber das scheint mir doch nicht der richtige Moment für einen lauschigen Spaziergang zu sein.«

Doch Murida wies nur nach vorn. Sie hatten ihr Ziel fast erreicht – auch wenn Andrej es immer noch nicht richtig erkennen konnte, denn es hatte dieselbe Farbe wie die Wüste und war zum Großteil von Sand bedeckt, der vielleicht ein Jahrtausend Zeit gehabt hatte, es unter sich zu begraben, und an dieser Aufgabe dennoch gescheitert war. Der Gedanke hatte etwas Beruhigendes, fand Andrej, bewies er doch, dass Menschen imstande waren, Dinge zu erschaffen, die selbst den Kräften der Natur standhalten konnten.

»Beeindruckend«, sagte Abu Dun, obwohl er kaum mehr erkennen konnte als Andrej. »Was ist das?«

»Niemand weiß, wie seine Erbauer es genannt haben, oder welchem Zweck es gedient hat, außer dem vielleicht, einfach da zu sein«, antwortete Murida mit einer Stimme, die fast ehrfürchtig klang. »Die Menschen heute nennen es Sphinx und halten es für ein Sinnbild der Zerstörung und des Unheils – was der Wahrheit wahrscheinlich nahekommt.«

»Das ist beeindruckend«, sagte Abu Dun. »Ja, was für ein Glück für uns, dich dabeizuhaben. Ich habe schon immer davon geträumt, in der Nacht nach einer Seeschlacht durch die Wüste zu marschieren und mir Geschichtsunterricht geben zu lassen.«

Murida zog knapp die Brauen in die Höhe und ging los.

Der Wind hatte sich mittlerweile zu einem ausgewachsenen Staubsturm gemausert, dessen graue Schwaden alles verschlangen, was weiter als zehn oder zwölf Schritte entfernt war, und mindestens die Hälfte der riesigen Steinskulptur war schon vor einer Ewigkeit von Sand begraben worden. Was Andrej aus der Nähe erkennen konnte, war jedoch kolossal. Die Sphinx hatte die Form eines gewaltigen liegenden Löwen mit einem menschlichen Gesicht, dem nicht einmal der seit hundert Generationen schmirgelnde Wind etwas hatte anhaben können. Sie war von einer zeitlosen Schönheit, und die Augen, die in gut zehn Metern Höhe über Andrej hinweg zum anderen Ufer des



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