Der Kuss Des Vampirs by Whitley Strieber

Der Kuss Des Vampirs by Whitley Strieber

Autor:Whitley Strieber [Strieber, Whitley]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-12-12T16:48:18+00:00


11

Königin der Nacht

In den Stunden, seit sie das erste Mal in Miriam Blaylocks gehetzte Augen geblickt hatte, war Sarah Roberts’ Angst stetig gewachsen. Sie hielt Miriams Hand; Miriams Kopf lag auf der Schulter ihrer menschlichen Gefährtin.

Sarah hatte sie noch nie so gesehen, und bisher hatte sie nicht erfahren, was geschehen war.

Sie saßen, unfassbarerweise, in einer Concorde, einem Flugzeug, das Miriam nie wieder hatte besteigen wollen. Das pulsierende Dröhnen der vier nahe am Rumpf in die Flügel eingebauten Triebwerke ließ den Kabinenboden erzittern. In den ersten zehn Minuten des Fluges roch es in der Kabine nach Kerosin. Sie waren jahrelang mit Maschinen dieses Bautyps geflogen und hatten geglaubt, dass sie völlig sicher seien. Dann war es zu einem schrecklichen Absturz gekommen, und in den folgenden Wochen hatte Miriam sich mit den morbidesten Gedanken geplagt. Sie hatte sich das Unglück bis ins letzte Detail aus-gemalt, hatte sich vorgestellt, sie hätte in der Maschine gesessen, aus dem Fenster geschaut und plötzlich die aus den Triebwerken lodernden Flammen gesehen, die Explosion gehört und gespürt, wie sie durchgeschüttelt wurden und wie ein Stein vom Himmel fielen.

Für Menschen war ein Flugzeugabsturz ein schneller Tod. Miriam dagegen hätte bei vollem Bewusstsein miterlebt, wie sie Zentimeter um Zentimeter von den Flammen verzehrt wurde.

Sie hatte sich von Sarah alle Berichte über die neuen Sicherheitsvor-kehrungen besorgen lassen. Aber trotz aller unternommenen Maßnahmen hatte sie nach wie vor Angst, mit der Concorde zu fliegen. Doch sie hatte darauf bestanden.

Sarah überlegte, ob die anderen Hüter Miriam womöglich angegriffen hatten. Wenn ja, so wäre dies eine brauchbare Anekdote für das Vampir-Buch, an dem sie in den zwanzig Jahren ihrer Gefangenschaft ins-geheim arbeitete.

Sarah spürte, dass Miriam wach war. Sie war immer wach, es sei denn, sie hatte gespeist oder große Mengen Opium geraucht. Miriams Hand war weich und kühl. Sarah hob sie an ihre Lippen, genoss die Schwere, genoss den Geschmack und die Zartheit der Haut. Sie sog den lieblichen Duft ihrer Herrin auf. Miriam seufzte und legte ihren Mund an Sarahs Hals, knabberte an ihm, bis es fast wehtat.

Sarah schloss die Augen, dem Brüllen der Triebwerke lauschend, und spürte neben sich die prachtvolle Seele, die sie so liebte und ver-ehrte … und spürte gleichzeitig das Böse, das von ihr ausging.

Sarah sagte sich, dass Raubtiere nun einmal töten mussten, um zu überleben und dass dies schließlich auch nicht als verwerflich galt. Als Ärztin jedoch war sie dem Wohlergehen der Menschen verpflichtet, und dies beinhaltete gewiss nicht, sie umzubringen. Doch das Geschöpf neben ihr hatte Kinder und Väter und Mütter umgebracht –

hatte ihnen das Blut ausgesaugt. Und sie selbst hatte dasselbe getan

… in ihrem schandhaft geheimen Leben.

Genau dies war der große Zwiespalt, unter dem sie so litt: Die Natur braucht den Räuber, um das Gleichgewicht zwischen den Gattungen aufrecht zu halten. Einer der Gründe, warum die menschliche Überbe-völkerung die Welt zerstörte, war, dass die Hüter ihre natürliche Mission nicht erfüllen konnten. Es waren einfach zu wenige, um eine relevante Zahl von Menschen zu töten.

Miriam pflegte sich als Teil dessen zu betrachten, das der Welt Gerechtigkeit brachte.



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