Der Flügelschlag des Glücks by Jewell Lisa

Der Flügelschlag des Glücks by Jewell Lisa

Autor:Jewell, Lisa
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Limes
veröffentlicht: 2015-05-07T16:00:00+00:00


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Montag, 3. Januar 2011

Hallo liebster Jim!

Ich habe in den letzten Tagen deine E-Mails vermisst. Es tut mir leid zu hören, dass du nicht ganz auf dem Posten warst, und ich freue mich, dass es dir wieder besser geht. Vielleicht hast du an Silvester etwas Falsches gegessen? Manchmal reißt es einfach nicht ab, oder?

Schön, dass dir die Fotos gefallen haben. Danke für deine netten Kommentare. Seinerzeit war ich ein ziemlicher Hingucker, wie man das heute nennt, habe mir aber nie etwas drauf eingebildet, wenn du verstehst, was ich meine. Ich war eher ein Wildfang, bin immer barfuß herumgelaufen und habe das Haarekämmen vergessen.

Wie dem auch sei. Du hast mich nach meiner Bemerkung gefragt, dass Meg mich zu einer Therapie überreden will. Offenbar hat dich das ganz schön erschreckt. Nein, ist bloß ein Spaß, Jim. So wie ich dich in den letzten Wochen durch unsere E-Mails kennengelernt habe, denke ich, dass du ein sehr aufgeschlossener Mann bist. Gewissermaßen unerschütterlich – habe ich recht?! Deshalb verrate ich dir auch die Wahrheit, zumal du selbst ganz ehrlich über deine Probleme mit Alkohol und Marihuana geredet hast. Wie ein Mann, der akzeptiert, was er ist, und es offen ausspricht. Also, schätze ich, ist es nur fair, wenn ich das ebenfalls tue.

Ich bin ein Messie, Jim. Obwohl ich das Wort hasse, benutze ich es, weil alles andere irreführend wäre. Etwa »Sammlerin« oder »Hamster«. Vielleicht könnte ich mich als ein Mensch beschreiben, der nicht gern etwas wegwirft. Doch all das würde nicht dem Sachverhalt entsprechen. Ich schätze, wenn man einmal einen Sozialarbeiter im Haus hatte, der die Situation in Hinblick auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken beurteilen sollte – nicht für mich, sondern für meine Nachbarn, was unendlich peinlich war – und ständig vom Messiesyndrom redete, dann muss man wohl oder übel die Hand heben und sagen: Ja okay, erwischt. Also, ich bin ein Messie. Denk bloß dran, Jim, dass genau wie beim Alkoholismus diese Bezeichnung unzählige Bedeutungen und unzählige Ausprägungen haben kann. Ich bin nicht schmutzig – und mein Haus ist es genauso wenig. Mein Problem besteht bloß darin, dass ich eine Unmenge von Sachen aufhebe. So viele, dass kaum Platz für Schmutz bleibt. Haha!

Zu den Leuten, die Müll horten, ihren eigenen Abfall und Dreck, gehöre ich weiß Gott nicht. Das finde ich ebenso widerlich wie eine Wohnung voller Tiere. Was natürlich besonders schrecklich ist, weil es Leiden für die armen Kreaturen mit sich bringt. Nein, ich kaufe einfach ständig irgendwas und vermag mich nicht von Dingen zu trennen, die ich Andenken nenne und mich an bestimmte Momente meines Lebens erinnern. Sachen, die ich in die Hand nehmen und betrachten kann. Sie halten Ereignisse in mir wach, die ich sonst vielleicht vergessen würde. Mit dem menschlichen Gedächtnis ist es eine grausame, frustrierende Sache – Dinge werden gelöscht, ohne dass man es will. Kostbare Dinge. Aber wenigstens hier in meinem Haus bewahre ich mir die Kontrolle über meine Erinnerungen.

Natürlich versteht das niemand. Wenn ich sage, dass Meg und ich uns streiten, dann fast immer deswegen. Sie denkt, es sei bloß eine Frage des Aufräumens.



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