Der erste Sohn by Philipp Meyer & Philipp

Der erste Sohn by Philipp Meyer & Philipp

Autor:Philipp Meyer & Philipp [Meyer, Philipp]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2014-04-01T07:34:54+00:00


25. Kapitel

Eli/Tiehteti

Herbst 1851

Pizon und die anderen waren mit den gestohlenen Pferden schon eine Woche vor uns im Camp angekommen, und es trafen immer noch versprengte Überlebende ein. Wir hatten acht Mitglieder der Gruppe verloren, doch der Raubzug wurde stillschweigend als Erfolg gewertet. Allerdings wussten wir, wenn wir weiterhin diese Sorte von Erfolgen hätten, wären keine Indianer mehr übrig, um die Pferde zu reiten.

Den ganzen Sommer über fanden kleinere Raubzüge statt; an den meisten waren jedoch junge Männer beteiligt, die Pferde und Skalpe brauchten, für das Brautgeld und weil sie dadurch zu Ansehen kamen. Die Army hatte schon fast eine zweite Reihe von Forts fertiggestellt – von Belknap über Abilene bis runter nach Mason –, doch viele Siedler waren bereits weitergezogen. Für die älteren Stammesmitglieder waren die Bienenbäume das bedrohlichste Zeichen. Sie hatten etwa hundert Meilen Vorsprung vor der Siedlungsgrenze und reichten inzwischen fast bis an den Llano heran. Wir freuten uns über so viel Honig, wussten aber alle, was das bedeutete.

Die Comancheros hatten herausgefunden, dass wir wieder wohlhabend waren, und ich überredete Toshaway, den Preis für die Pferde zu verdoppeln. Zuvor hatten wir ein gutes Pferd vielleicht für eine Handvoll Glasperlen oder ein paar Meter Baumwollstoff eingetauscht, doch jetzt wollten wir mehr Munition und Ersatzteile für Gewehre, mehr stählerne Pfeilspitzen und mehr Lebensmittel. Ich blieb im Camp, jagte und ritt Pferde ein, doch die meiste Zeit verbrachte ich mit Prairie Flower, der es nicht mehr peinlich war, in der Öffentlichkeit mit mir gesehen zu werden. Denn mein Rang entsprach mittlerweile dem von Nuukaru oder sogar Escuté, auch wenn meine Fähigkeiten damit nicht Schritt hielten.

Das wichtigste Ereignis des Spätsommers war die Gefangennahme eines jungen Bisonjägers, der, genau wie der Rest seiner Jagdgesellschaft, in der falschen Hoffnung losgezogen war, die Army oder die Rangers könnten ihn beschützen. Wir stellten die Männer in dem breiten Tal des Palo Duro Canyons, und nach kurzem Kampf waren alle bis auf einen tot. Er kroch mit erhobenen Händen unter ihrem Wagen hervor, und da ich wusste, was geschehen würde, legte ich sofort einen Pfeil ein, doch Pizon schubste mich, und der Pfeil verfehlte sein Ziel.

Der Jäger war Ende zwanzig, hatte blonde Haare, einen Bart, blaue Augen und wirkte irgendwie unschuldig. Ich freute mich, seine gezogene Springfield und die Minié-Geschossgießformen zu bekommen, doch die wichtigste Beute war der Mann selbst. Weil er lebendig, unverletzt und so nah bei unserem Lager war, beschloss man, ihn mitzunehmen und zu foltern.

Das sorgte für große Aufregung, und an diesem Tag wurde nicht mehr gearbeitet. Es war etwa so, als wäre bei den Weißen ein Zirkus im Ort oder eine öffentliche Hinrichtung angesetzt worden. Er musste gemerkt haben, was passieren würde, denn er flehte mich an, ihm zu helfen, doch ich konnte nichts machen. Ein paar der neueren Gefangenen, deren Position noch nicht so gefestigt war wie meine, traten ihm sogar ins Gesicht, um ihre Loyalität gegenüber den Indianern zu demonstrieren.

Bei den Frauen des Dorfes galt die Folterung eines Gefangenen als große Ehre, und alle weiblichen Ältesten samt der jüngeren Frauen hatten sich versammelt.



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