Das Licht der Zeit (German Edition) by Leonie von Zedernburg

Das Licht der Zeit (German Edition) by Leonie von Zedernburg

Autor:Leonie von Zedernburg [von Zedernburg, Leonie]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
veröffentlicht: 2014-08-26T22:00:00+00:00


Das Gastmahl

Kichernd und schnatternd wie eine Schar Gänse umflatterten sie die Mädchen. Sie schienen mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen überaus zufrieden zu sein. Ein Klatschen erklang, sie verstummten und verneigten sich. Unbemerkt von Estelle hatte ein hochgewachsener Ägypter den Raum betreten.

»Sei mir gegrüßt, Estelle. Endlich hast du zu uns gefunden. Wir haben wahrlich lange auf dich warten müssen.« Er unterzog sie einer ausgiebigen Musterung. »Du bist tatsächlich ihr Ebenbild. Beeindruckend.«

Den Fremden umgab eine Aura der Macht. Seine dunkel geschminkten Augen glitzerten, Estelle konnte es nicht anders nennen, gierig. Sie bekam eine Gänsehaut, die sich rasch über ihren ganzen Körper ausbreitete. Woher kannte er ihren Namen und wem glich sie? Sollte sie froh darüber sein, dass er ihre Sprache verstand, oder eher beunruhigt sein? Wer war er?

»Würdest du mir die Ehre erweisen, heute Abend mit uns zu speisen?« Es sollte wohl höflich klingen, hatte aber einen scharfen Unterton.

Ihrem ersten Impuls folgend, war sie drauf und dran, abzulehnen, sagte sich aber, dass dies in ihrem Falle nicht ratsam war. Sie nickte zögernd. Dieser Typ, der es anscheinend nicht für nötig hielt, sich vorzustellen, war ihr nicht geheuer. Aber was blieb ihr schon übrig? Sie musste gute Miene zum bösen Spiel machen.

»Ja gerne«, murmelte sie leise, woraufhin sich ihr Gastgeber zu ihr neigte, um sie zu verstehen. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und fing sich einen abfälligen Blick ein.

»Nun denn.« Auffordernd hielt er ihr seinen Unterarm hin. Estelle legte vorsichtig ihre Hand darauf und schritt neben ihm her, über endlose Gänge hinaus ins Freie. Sie atmete auf. Die Angst, nie wieder das Tageslicht zu sehen, hatte ihr schwer zu schaffen gemacht. Nun, das Tageslicht war zwar schon ins Dunkel der Nacht übergegangen, aber das war in Ordnung für sie. Sie hatte endlich dieses bedrückende Gebäude verlassen. Die frische Luft war belebend und sorgte dafür, dass sich ihr Kopf, der die ganze Zeit über wie in einer Klammer gesteckt hatte, klärte.

Durfte sie diesen Kerl, der neben ihr einherging und sie keines Blickes würdigte, nach Merenptah fragen, oder war es besser, den Mund zu halten? Estelle entschloss sich zu warten, wie sich der Abend entwickeln würde. Wenn ihr geheimnisvoller Gastgeber mit Merenptah in Verbindung stand, würde er sicher von sich aus die Sprache auf ihn bringen.

Merenptah. Wo er sich jetzt wohl gerade aufhielt? War er in der Nähe? Estelle versuchte, ihn zu erspüren, konnte aber keinen Erfolg verzeichnen. Ärgerlich rief sie sich zur Ordnung. Was sollte dieser Blödsinn bringen? Sie war doch kein Medium.

Der Fremde, der in prachtvolle Gewänder gehüllt war, und nach kostbaren Ölen duftete, räusperte sich. Anscheinend wollte er Estelles Aufmerksamkeit. Gehorsam wandte sie ihm ihren Blick zu. »Wir werden jetzt gleich meinen verehrten Gästen gegenübertreten. Ich möchte dich bitten, zu schweigen. Sei unbesorgt, ich habe dafür gesorgt, dass du für die Dauer deines Aufenthaltes unsere Sprache verstehen kannst. Wenn du möchtest, kannst du also den Unterhaltungen folgen. Dieser Anlass dient nur dazu, denjenigen, die daran gezweifelt haben, dass es dich tatsächlich gibt, den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Ein böses Lächeln verzerrte seine Züge.



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