Das Lavendelzimmer by Nina George

Das Lavendelzimmer by Nina George

Autor:Nina George [George, Nina]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
ISBN: 9783426417720
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-04-25T22:00:00+00:00


25

Am Ende der ersten Woche informierte sie ein Stadtbeamter von Briare unter der Hand, dass sie entweder ein Saisongewerbe anmelden oder weiterziehen müssten. Er war selbst ein begeisterter Leser von amerikanischen Thrillern.

»Aber passen Sie künftig auf, wo sie anlegen – die französische Bürokratie kennt von Natur aus keine Lücken.«

Ausgerüstet mit Vorräten, Strom, Wasser und einer Handvoll Namen und Handynummern von freundlichen Leuten, die auf den Gewässern lebten, schwenkten sie in den Seitenkanal der Loire ein. Bald passierten sie Schlösser und dichte, harzig frisch duftende Wälder und Weinberge, an denen Sancerre Sauvignon, Pouilly Fumé und Pinot Noir angebaut wurden.

Je weiter sie in den Süden vordrangen, desto wärmer wurde der Sommer. Ab und an sahen sie Schiffe, auf deren Decks sich Frauen in Bikinis ausstreckten.

In den Auen bildeten Erlen, Brombeerruten und Wilde Rebe einen magischen Urwald, durchwebt von grünlich schimmernden Lichtern, in denen Waldstäubchen tanzten. Zwischen den Stämmen blitzten Moortümpel auf, Holunderfrüchte und schiefe Buchen.

Cuneo zog einen Fisch nach dem nächsten aus dem murmelnden Wasser, und auf den langen, flachen Sandbänken sahen sie Graureiher, Fischadler und Seeschwalben rasten. Hier und da tauchten Biber ins Gebüsch, auf der Jagd nach Biberratten. Es war ein altes, sattes Frankreich, was sich ihnen hier präsentierte, süffig, herrschaftlich, laubgrün und einsam.

In einer Nacht ankerten sie an einer verwilderten, ungenutzten Weide. Es war still. Nicht einmal das Wasser gluckste, und es war kein einziges Motorengeräusch zu hören. Sie waren völlig allein, bis auf ein paar Käuzchen, die sich gelegentlich etwas über das Wasser hinweg zuriefen.

Nach dem Abendessen bei Kerzenlicht schleppten sie Decken und Kissen an Deck und lagen dann da, drei Männer, Kopf an Kopf, wie ein dreizackiger Stern.

Die Milchstraße stand wie eine helle Schliere, ein Kondensstreifen aus Planeten direkt über ihnen.

Die Ruhe war schier überwältigend, und die blaue Tiefe des Nachthimmels schien sie in sich einzusaugen.

Max zauberte einen dünnen Joint hervor.

»Ich muss scharf protestieren«, sagte Jean behaglich.

»Aye, Skipper. Registriert. Einer der Holländer hat ihn mir gegeben, er hatte kein Geld für den Houellebecq.«

Max zündete das Dope an.

Cuneo schnupperte. »Riecht wie verbrannter Salbei.« Er nahm die Gedrehte umständlich an, und zog kurz und vorsichtig.

»Brr. Schmeckt wie einmal an der Tanne lecken.«

»Du musst es in die Lunge saugen und da so lange drinlassen, wie du kannst«, riet ihm Max. Cuneo gehorchte.

»Ach du heiliger Balsamico«, keuchte er dann.

Jean zog nur sacht und ließ den Rauch im Gaumen herumwallen. Ein Teil von ihm fürchtete den Kontrollverlust. Ein anderer sehnte sich genau danach.

Immer noch war es Jean, als säße ein Pfropf aus Zeit, Gewohnheit und verharzter Angst in ihm, der verhinderte, dass sich seine Trauer Bahn brach. Er fühlte sich bewohnt von steinernen Tränen. Sie verhinderten, dass etwas anderes in ihm Platz fand.

Er hatte bisher weder Max noch Cuneo gestanden, dass die Frau, für die er alle Leinen seines Lebens gekappt hatte, längst zu Staub geworden war.

Und auch nicht, dass er sich schämte. Dass es die Scham war, die ihn trieb, aber dass er weder wusste, was er in Bonnieux tun sollte, noch, was er hoffte, dort zu finden. Frieden? Den hatte er sich noch lange nicht verdient.



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