Das große Buch der Gefühle by Baer Udo & Frick-Baer Gabriele

Das große Buch der Gefühle by Baer Udo & Frick-Baer Gabriele

Autor:Baer, Udo & Frick-Baer, Gabriele [Baer, Udo & Frick-Baer, Gabriele]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783407858467
Herausgeber: Beltz & Gelberg Verlag
veröffentlicht: 2014-10-01T22:00:00+00:00


Sinn und Eigen-Sinn

Der Eigensinn hat keinen guten Ruf. Er wird oft mit Egoismus gleichgesetzt. Das ist schade. Wir verstehen darunter den Sinn für das Eigene, also buchstäblich den Eigen-Sinn. Wir sind der Auffassung, dass in diesem Verständnis der Eigensinn wichtig, ja notwendig ist, um die eigene Würde und die anderer zu stärken.

Oft wird der Eigensinn mit dem Vorwurf erstickt, er schade dem Gemeinsinn. Dieser Vorwurf ist, mit Verlaub gesagt, Unsinn. Müssen sich Eigensinn und Gemeinsinn überhaupt widersprechen? Haben die vielen Menschen, die Tag und Nacht gegen ein Hochwasser kämpften, etwa nur »uneigennützig« gehandelt? Nein, sie haben auch für sich, für ihre eigenen Interessen, für ihre eigene Sinnhaftigkeit gekämpft und gleichzeitig für ihre Heimat und all die anderen Menschen, die dort zu Hause sind. Der Mensch ist fähig und oft willens, im Interesse der Gemeinschaft zu handeln; er hat einen Sinn dafür, mit Menschen in Not mitzufühlen und zu helfen. In Krisensituationen wie dem Hochwasser sind die Vertreter/innen der Medien überrascht, wie groß der Gemeinsinn ist, wie tatkräftig Menschen helfen und anpacken, wenn ihre Hilfe gebraucht wird.

Sicherlich kann es auch Konflikte zwischen den eigenen Interessen geben und dem Appell, anderen zu helfen. Manchmal muss man sich entscheiden, ob man zum eigenen Vergnügen ins Kino geht oder dem Hilferuf einer Freundin nachgeht, die in Not ist. Auch da hilft im Grunde der Eigensinn dem Menschen, die Alternativen zu bewerten und sich dementsprechend zu entscheiden. Wir haben wiederholt die Erfahrung gemacht, dass insbesondere Menschen, die ihren Eigensinn wiederentdeckt haben, sich voller Elan sozial und politisch für andere engagieren. Oft durchleben sie vorher eine Phase, in der sie vieles von dem, was sie in der eigensinnlosen Zeit versäumt haben, nachholen wollen, und schießen dabei schon mal übers Ziel hinaus. Ist dieser Hunger zumindest zum Teil gestillt, entdecken fast alle, dass zu ihrem Eigensinn auch der Gemeinsinn gehört. Den Eigensinn aber gar nicht wahrzunehmen bzw. nicht auf ihn zu hören, den Eigensinn zu ersticken, das macht die Menschen eng und still. Häufig werden sie dann tatenlos und nicht nur unfähig zu Unternehmungen, die ihnen guttun, sondern sie sind auch nicht mehr in der Lage, andere Menschen zu unterstützen. »Jeder, der das wirklich tut und lebt, wozu er fähig ist, ist ein Held«, schrieb Hermann Hesse in einem seiner Briefe (Hesse 1974, S. 66).

Oft wird der Sinn für das Eigene nicht gewollt. Kirchliche oder politische Dogmen schrieben und schreiben oft noch den Menschen vor, in welche Richtung sie leben und was sie »im Sinn« haben sollen. Nietzsche ist in seinem Kampf gegen die Unterdrücker des Eigensinns im 19. Jahrhundert in Einsamkeit zugrunde gegangen und in Verzweiflung und im Wahnsinn geendet. Doch vorher hat er den Menschen zugerufen: »Ihr sollt lernen, ihr selbst zu sein … Ihr sollt verlernen, andere zu sein, gar nicht zu sein, fremde Stimmen nachzuahmen und fremde Gesichter für die Euern zu halten.« (Nietzsche 1981)

Dass der Eigensinn etwas mit dem Sinn zu tun hat, den Menschen ihrem Leben geben, legt schon der Wortbestandteil »sinn« nahe. Das Wort »Sinn« stammt, wir schrieben es schon



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