Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? Über den Niedergang unserer Sprache by Hock Andreas

Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? Über den Niedergang unserer Sprache by Hock Andreas

Autor:Hock, Andreas [Hock, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783868834437
Herausgeber: Riva Verlag
veröffentlicht: 2014-08-15T00:00:00+00:00


Weil Wichtigtuer das Lean Management erfanden

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren sah ein deutscher Unternehmer, Geschäftsführer oder Firmeninhaber zumeist so aus, wie man sich einen deutschen Unternehmer, Geschäftsführer oder Firmeninhaber auch vorstellte – und wie er in den Filmen der damaligen Zeit von Schauspielern wie Rudolf Vogel oder Gert Fröbe verkörpert wurde. Der ordentliche Patriarch war eine maßstabsgetreue Kopie von Ludwig Erhard mit einem beeindruckenden Bauch, einer qualmenden Zigarre im Mund und einem leichten Schweißfilm auf der Stirn – wegen des üppigen Mittagessens, des Cognacs danach und der unermüdlichen Arbeit für den bundesdeutschen Aufschwung natürlich.

Eines Tages aber, es muss irgendwann in den Achtzigern gewesen sein, gab es kaum noch Ludwig Erhards in den Vorstandsetagen. Ein neuer Typ Chef hatte sich dort breitgemacht. Er war eher schlank, trug schultergepolsterte Anzüge teurer Designermarken, Seidenstrümpfe und Sonnenbrille. Das allein wäre natürlich nicht schlimm gewesen – die Vorgesetzten aus der Erhard-Ära waren auch nicht unbedingt geschmackvoll gekleidet gewesen mit ihren dunklen Zweireihern und den immer ein Stück zu engen Westen. Das wirkliche Übel war, dass diese neue Spezies an leitenden Angestellten auch eine neue Sprache in unsere Unternehmen brachte, eine Sprache der Aufschneider und Wichtigtuer: das Businessdeutsch!

Die Generation BWL wollte plötzlich nicht mehr nur Abteilungsleiter sein, stellvertretender Personalreferent oder zweiter Sachbearbeiter in der Lohnbuchhaltung. Diese Leute wollten nun allesamt Manager genannt werden, weil das irgendwie bedeutender klang. Deshalb bedienten sie sich in ihrer Ausdrucksweise ebenfalls bei den entsprechenden Idealen aus amerikanischen Konzernen, die seinerzeit imagemäßig Hochkonjunktur hatten und von denen ihr deutscher Abklatsch allenfalls entweder gelesen oder gehört hatte. Oder sie bewunderten sie im Kino, in Spielfilmen wie Wall Street.

Selbstverständlich existierte das Wort Management schon lange vorher und wurde auch im Nachkriegsdeutschland behutsam als Oberbegriff für alle Arten wichtiger Geschäftstätigkeiten herangezogen. Der ursprüngliche Begriff Manus agere stammte gar aus dem Lateinischen und bedeutete in etwa »an der Hand führen«. Doch das englische Verb to manage hörte sich dank der virtuellen Vorbilder auf einmal so dynamisch und modern an, dass jede Teilzeitkraft unbedingt die Bezeichnung »Manager« auf ihrer Visitenkarte stehen haben wollte – ganz gleich, wie wichtig die Person und ihre Tätigkeit für die Firma wirklich war!

Einer der wesentlichen Wegbereiter dieser bedauerlichen Entwicklung war ein in jenen Jahren viel beachtetes Fachbuch amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, die für ihr Werk neuartige Methoden der japanischen Automobilindustrie unter die Lupe genommen hatten: Der Fahrzeugbauer Toyota hatte ein System entwickelt, bei dem sämtliche Abläufe so weit wie möglich aufeinander abgestimmt wurden. Das Zauberwort bei Toyota hieß Lean Management – weil Arbeitsstrukturen und Produktionsprozesse möglichst schlank (= lean) gehalten werden sollten, um alle Unternehmensziele billiger und schneller zu erreichen als bisher.

Obwohl sich die meisten selbst ernannten Manager wahrscheinlich kaum vorstellen konnten, was es mit dem Lean Management genau auf sich hatte, wollte nun jeder nach den Vorgaben dieses sagenumwobenen Prinzips handeln – die kleinen Firmen genauso wie die großen Konzerne. Und wenn man schon dabei war, sich internationaler zu geben, als man war, schwappte zusammen mit dem beinahe heiligen Modebegriff eine ganze Reihe weiterer Angeberanglizismen in die deutschen Büros: Plötzlich sprach man von



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