Autobiographische Argumentation und Selbstdarstellung im Galaterbrief by Christian Wehde
Autor:Christian Wehde
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2022-10-03T06:17:28.481000+00:00
Ergebnisse und Perspektiven
10
Ergebnisse
10.1
Die Botschaft der Form
âDie Botschaft der Formâ â unter diesem Haupttitel hat Dieter Kremendahl in seiner Dissertation anhand von epistolographischer und dispositionell-rhetorischer Untersuchungen versucht, den apologetischen Duktus des Galaterbriefes auf Grund seiner Form zu erweisen. Die Aufnahme dieses Titels im Resümee der vorliegenden Arbeit soll eine grundsätzliche Wertschätzung zum Ausdruck bringen, stellvertretend gegenüber Kremendahl und allen anderen neutestamentlichen Exegetinnen und Exegeten, die sich intensiv mit der Form des Galaterbriefes auseinandergesetzt haben und erkannt haben, dass die adäquate Bestimmung der Form einen entscheidenden Anteil zum Verständnis von Inhalt und Situation des Galaterbriefes beiträgt.
Als Brief ist der Galaterbrief unbestritten ein besonderer Brief im Corpus Paulinum. Eine deutlich erweiterte intitulatio in der subscriptio sowie ebenfalls deutlich umfangreichere salutatio sowie eine lediglich vage Benennung der Mitabsender im Präskript, die Eröffnung des Briefcorpus durch eine Verwunderungsformel anstatt der brieflichen Danksagung als Ãquivalent zur paganen formula valetudinis, immer wieder harsche polemische Töne gegen die Briefadressaten und nicht zuletzt der Verzicht auf GruÃlisten und GruÃaufträge im Briefcorpusschluss des Galaterbriefes erschweren die Aufgabe, den Galaterbrief als Brief zu charakterisieren.
Unter epistolographischen Gesichtspunkten ist die langjährige Forschungstradition, bereits die antithetischen Formulierungen der intitulatio der superscriptio als auch der salutatio als Verteidigungen gegen Vorwürfe zu interpretieren, kritisch zu beurteilen. An keiner Stelle des Galaterbriefes finden sich explizite und belastbare Hinweise auf konkrete, gegen Paulus gerichtete Angriffe oder Vorwürfe. Das Aufgreifen der im Raum stehenden Vorwürfe ist jedoch der Regelfall, sowohl in forensisch ausgerichteten Briefen als auch in Reden.
Die detaillierte epistolare Analyse des Galaterbriefes hat gezeigt, dass sich die genannten formalen Auffälligkeiten des Galaterbriefes sehr gut mit einer grundsätzlich anderen Charakterisierung des Galaterbriefes verbinden lassen. Trotz einer, im Vergleich mit anderen Paulusbriefen, Reduzierung typischer philophronetischer Elemente, ist doch auch der Galaterbrief durchaus auf Beziehungserhalt und Beziehungsförderung ausgelegt. Philophronetische Merkmale sind nicht auf Gal 4,12âââ20 beschränkt, sondern finden sich über den ganzen Brief hinweg, selbst hinter Aussagen, die auf den ersten Blick nur polemisch und beziehungsstörend wirken.1 Das Unterfangen, den Galaterbrief vor dem Hintergrund antiker Brieftypen zu verstehen, hat ergeben, dass dieser Brief in seinem Duktus eine Nähe zu tadelnd-ermahnenden sowie belehrenden Brieftypen aufweist. Diese Spur wurde in einem formalen Vergleich mit im Corpus der Letter-Essays zusammengefassten Lehrbriefen weiterverfolgt. Hier hat sich gezeigt, dass der Galaterbrief eine grundsätzlich formale Nähe zu antiken, literarisch überlieferten Lehrbriefen aufweist. Exemplarisch wurden im weiteren Verlauf die Lehrbriefe Epikurs dem Galaterbrief gegenübergestellt. Kommunikation einer Heilsbotschaft in Verbindung mit konkreten Anweisungen zur Lebensführung, Rekapitulation vorheriger Belehrungen und ein deutlich erkennbares Lehrer-Schüler-Gefälle sind markante Merkmale, die die Epikurbriefe als Lehrbriefe auszeichnen. Diese Merkmale konnten auch im Galaterbrief erkannt werden. Am Beispiel der epistulae morales ad Lucilium von Seneca konnten weitere motivische und stilistische Merkmale antiker Lehrbriefe zur Zeit des Paulus aufgezeigt werden, die sich auch bei Paulus und im Galaterbrief wiederfinden lassen.2
Es wäre ein lohnendes Unterfangen, den epistolaren Vergleich antiker Lehrbriefe aus der frühen Kaiserzeit mit den Paulusbriefen und vor allem dem Galaterbrief noch systematischer und umfangreicher durchzuführen. Gleichzeitig haben die in dieser Arbeit durchgeführten vergleichenden Analysen bereits grundsätzlich belastbare Hinweise zu Tage gefördert, die es zulassen, den Galaterbrief grundsätzlich als paulinischen Lehrbrief einzuordnen.
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