66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen by Westend Verlag
Autor:Westend Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend Verlag
veröffentlicht: 2014-02-23T16:00:00+00:00
35 Mit wem sich Freihandel lohnt – und mit
wem nicht
Zu dem vorigen Abschnitt passt, dass sich auf einer Konferenz in England im November 2013 ein erheblicher Teil der Diskussionen um die Frage drehte, ob mehr Freihandel ein Weg sein könnte, die Weltwirtschaft zu beleben. Viele glauben oder wollen gerne glauben, dass man mit neuen Abkommen der Weltwirtschaft den neuen Impuls geben könnte, der so dringend fehlt und den die traditionellen Instrumente nicht mehr zu liefern in der Lage sind.
Bei dieser Diskussion, die sich zunächst vor allem an den politischen Möglichkeiten abarbeitete, die gegeben sein müssten, um mehr Freihandel etwa zwischen Europa und den USA zu verwirklichen, ist mir wieder einmal deutlich vor Augen getreten, wie entscheidend es auch für den Erfolg des Handels ist, dass man von vorneherein unter einem Regime antritt, das darauf ausgerichtet ist, explizit für einen Ausgleich der Handelsströme zu sorgen, also genau die Art von Ungleichgewichten zu vermeiden, die derzeit so heftig diskutiert werden.
Für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Handels für ein einzelnes Land sind nämlich die Beiträge, die vom Saldo des Außenhandel ausgehen (und als positiver oder negativer »Außenbeitrag« in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung übernommen werden, dort das Wachstum erhöhen/senken und als positiver oder negativer Arbeitsplatzeffekt gezählt werden müssen), viel wichtiger als die potenziellen »Produktivitätseffekte« des freien Handels für alle Beteiligten. Letzteres sind die Effekte, die sich daraus ergeben können, dass insgesamt effektiver gewirtschaftet wird, dass also die Arbeitsteilung tiefer und intensiver wird. In der Wirklichkeit gibt es natürlich immer eine Überlagerung dieser Effekte, sobald überhaupt nennenswerte Salden (also Abweichungen der Exportvolumina von den Importvolumina) im Handel auftreten. Das ist unproblematisch, wenn diese positiven oder negativen Beiträge nicht dauerhaft und nicht einseitig verteilt sind, weil dann ein Land nicht einem anderen den gesamten Vorteil aus dem gemeinsamen Handel dadurch wegnehmen kann, dass es selbst dauernd positive Salden erzielt und das andere dauernd negative.
Wer also überlegt, ein Freihandelsabkommen abzuschließen, muss zuallererst erwarten und dafür Sorge tragen, dass der andere Handelspartner nicht darauf aus ist, dauernd Leistungsbilanzüberschüsse zu erzielen. Wenn man das erwartet, kann man sich nämlich jedes Freihandelsabkommen schenken, denn es kann praktisch keine positiven Effekte mehr erzielen, weil die potenziellen positiven Produktivitätseffekte die realen und unter Umständen riesig großen Saldeneffekte niemals aufwiegen können. Aber selbst wenn man das Gegenteil vermutet, kann man sich nicht darauf verlassen, denn die Produktivitätseffekte kann niemand messen, und sie sind im Zweifel gleich zwischen den Ländern verteilt.
Ein Land wie Deutschland, das auf seinen positiven Leistungsbilanzsalden – aus welchen Gründen auch immer – beharrt, kann niemals ein ernstzunehmender Partner für ein Freihandelsabkommen sein. Man müsste verrückt sein, wenn man sich darauf einließe. Deswegen ist die regelmäßige Überprüfung der Handelspartner auf Dumping durch Währungsmanipulation, die der amerikanische Kongress von der Regierung durchführen lässt, vollkommen richtig, er müsste nur begreifen, dass eine dem Markt überlassene Währung nicht automatisch richtig bewertet ist, sondern selbst einen vernünftigen Maßstab (etwa einen konstanten realen Wechselkurs über einen bestimmten Zeitraum) festlegen. Dass Deutschland ernsthaft glaubt, es könne seinen Überschuss in alle Ewigkeit fortschreiben, »weil es ja so tüchtig ist«, ist nicht nur ökonomisch absurd, sondern auch politisch.
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