Zurückkehren: Roman (B008RX2DP2) by Tahar Ben Jelloun

Zurückkehren: Roman (B008RX2DP2) by Tahar Ben Jelloun

Autor:Tahar Ben Jelloun [Jelloun, Tahar Ben]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: eBook Berlin Verlag
veröffentlicht: 2010-10-09T04:00:00+00:00


Als seine Kinder noch klein waren, kamen sie mit ihm in sein Dorf. Sie amüsierten sich, spielten mit den Tieren, warfen den Katzen verfaulte Hühnerinnereien hin, um sie einzufangen. Sie bastelten Spielzeug aus allem und jedem und hatten eine teuflische Phantasie. Sie waren sehr turbulent, nervig, verwöhnt und rücksichtslos. Die Nachbarn sagten: »Die sind nicht gut erzogen, sie respektieren nichts und niemanden. Das ist Frankreich, deshalb sind sie so geworden. Oder sind es die Eltern, die sich alles gefallen lassen?« Doch die Eltern ertrugen keine Kritik an ihren Zöglingen. Sie führten deren Hyperaktivität auf die Ferien zurück. Die Kinder selbst sahen sich kaum als Teil dieses weitreichenden Clans. Sie schlugen sich durch, wie es ging, aßen mal bei den einen, mal bei den anderen. Alle Häuser standen ihnen offen. Niemand fand das befremdlich. Sie liebten den alten Onkel, der behauptete, dank des reinen Bienenhonigs hundert Jahre alt geworden zu sein. Sie glaubten ihm und aßen von morgens bis abends Honigbrote. Eines der Kinder meinte sogar, das sei fast so lecker wie Nutella! Nach einer Woche begannen sie sich zu langweilen, wurden aggressiv, verlangten, an die Strände von Agadir zu fahren. Mohammed fuhr sie hin, passte auf sie auf und wartete in einem Kaffeehaus auf sie. Am Abend fuhr er sie zurück ins Dorf. Er war müde, doch er konnte ihnen nichts abschlagen. Eines Tages sagte ihm seine ältere Schwester Fattouma: »Verpass ihnen doch Ohrfeigen. Deine Gören sind schlecht erzogen. Sobald sie hier auftauchen, bringen sie unsere Kinder durcheinander, bringen ihnen Dinge bei, die mich schockieren. Ja, das ist es, sie sind kleine Franzouis, lieber Gott, mein kleiner Bruder hat kleine Christen, Fremde, in die Familie gebracht …«

Dann war da noch der kleine Nabile, der überall herumlief, oft hinfiel, sich weh tat, aber nicht weinte. Seine Mutter Fattouma nannte ihn manchmal Malak, manchmal Baraka, Engel und Gottesgeschenk. Sie sagte allen: »Er ist nicht wie die anderen, Gott hat ihn uns gesandt, als ein Zeichen von Erlösung und baldigem Wohlstand. Wir müssen ihn einfach machen lassen. Er kennt das Böse nicht. In seinen Augen sind alle Menschen gut. Mit zwei Jahren konnte er gehen, mit drei sprach er. Zwar verstanden wir nicht, was er sagte, doch wir ahnten, was er ausdrücken wollte. Er machte Zeichen und klare Gesten. Die Hebamme hat mir gesagt, ich hätte zu viel Knoblauch gegessen, dass Nabile deshalb so anders geworden ist. Einmal versuchte es mir ein junger Arzt im Krankenhaus in Marrakesch zu erklären. Er sagte Dinge, die ich nicht verstand: ›Du bist zu alt für eine Schwangerschaft, dieses Kind hättest du nicht haben dürfen, jetzt musst du damit leben, dass er zurückgeblieben ist. Er ist nicht bösartig, er ist sogar sehr anhänglich, doch es wird anstrengend werden.‹ Er machte eine Zeichnung, um es mir zu erklären: eine Art Ast mit dreiundzwanzig Reihen von Blättern rechts und links. Er unterstrich den einundzwanzigsten Zweig und erklärte: ›Siehst du, da sind drei Blätter, das ist eines zu viel, dieser kleine Überschuss ist das Problem.‹ Ich habe die Zeichnung behalten



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