Wege zur Rechtsgeschichte: Das BGB by Hans-Peter Haferkamp;

Wege zur Rechtsgeschichte: Das BGB by Hans-Peter Haferkamp;

Autor:Hans-Peter Haferkamp;
Format: epub
ISBN: 9783838558189
Herausgeber: UTB GmbH
veröffentlicht: 2022-08-15T00:00:00+00:00


Mit dieser Aussage war Kaufmann Teil des auf den Staatsrechtslehrertagungen der 1920er Jahre äußerst vehement geführten „Methoden- und Richtungsstreits“ der Weimarer Staatsrechtslehre. Doch auch im Zivilrecht wurde Naturrecht diskutiert, wie bereits für Alfred Manigk eingangs gezeigt wurde. Hier war es weniger die Reichsverfassung, die eine Naturrechtsdiskussion auslöste, als die Aufwertungskrise. Manigk, der 1926 mit zwei Veröffentlichungen146 darauf reagierte, war nicht der Einzige. Der anerkannte Zivilprozessualist James Goldschmidt hatte bereits 1924 in der überall gelesenen „Juristischen Wochenschrift“ vor einer „Gesetzesdämmerung“ gewarnt und dem Gesetz die Gerechtigkeit und Sittlichkeit als höherstehend entgegengehalten. Auch Rudolf Henle erklärte sittenwidrige147 Gesetze für unwirksam, ging also wie Ernst Landsberg von einer „Wiederkehr des Naturrechts“ aus.148 Solche Überzeugungen waren bei Zivilrechtlern oft mehr Ausdruck unmittelbarer Enttäuschung über den Gesetzgeber als ein klares philosophisches Konzept. Die philosophisch meist fundierteren Staatsrechtler konnten sich auch für Naturrechtspositionen durchaus auf neuere Philosophen berufen, allen voran auf die materiale Wertethik von Max Scheler und Nicolai Hartmann. Diese Tendenzen einer zunehmenden Abwehrhaltung gegen das Gesetzgebungsmonopol des Staates spiegeln sicher das Empfinden vieler Juristen in der krisenhaften Weimarer Republik wider. Wenigen gelang es insbesondere angesichts der das Leben vieler Bürger unmittelbar betreffenden Enttäuschungen über die Aufwertungsgesetzgebung, so prinzipienfest zu bleiben, wie es Philipp Heck 1924 für die Interessenjurisprudenz verkündete:

Gewiß wird der Gehorsam durch eine ethische Mißbilligung erschwert. Aber die Rechtsordnung kann nicht dispensieren, sie kann die Wirkung des Gesetzes, die bei allen zugleich eintreten muß, nicht davon abhängig machen, dass alle Untertanen das Gesetz ethisch billigen. Wenn heute in der Not die berufenen und verantwortlichen Männer drückende Maßregeln für notwendig halten, dann müssen Sie des Gehorsams und der Unterstützung der Gerichte sicher sein, auch wenn die Maßregeln nicht den ethischen Idealen eines jeden genügen können.149



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