Von Babylon nach Jerusalem by Hahn-Hahn Ida Gräfin von

Von Babylon nach Jerusalem by Hahn-Hahn Ida Gräfin von

Autor:Hahn-Hahn, Ida Gräfin von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


»Volksaufstände überall, in Schlesien, in Prag, in Ingolstadt! Überall revolutionäre Bewegung derer, die nichts haben, gegen die, welche etwas haben. Noch ist die Bewegung tappend, unsicher, zaghaft – ein Kind, das gehen lernt und seine Kräfte versucht; aber es übt sich und hat den Weg gefunden. Wir gehen unerhörten Zeiten entgegen. Mir grauet vor den nächsten fünfzig Jahren. Wie es jetzt ist, kann nichts bleiben – nicht Kirche, noch Staat, noch Gesellschaft. Die Auflösung hat innerlich begonnen; nach außen kann sie vor der Hand unterdrückt werden; – – aber auf wie lange?«

Ich studierte kommunistische und sozialistische Systeme, um ausfindig zu machen, ob in ihnen der Kern enthalten sei, um welchen eine neue Gestaltung der Welt sich organisieren könne. Allein ich fand nicht, daß sie organische Kräfte, sondern nur mechanische ins Leben riefen; fand keine Einheit, sondern nur Einförmigkeit; keine schöpferische Tatkraft, sondern nur zersetzende Fähigkeit; keine verbindende, sondern nur atomisierende Elemente; mit einem Wort: keine Befähigung zum Leben – geschweige zum ewigen Leben.

Es gab damals Personen, welche standhaft die wirkliche Existenz des Kommunismus und seiner Propaganda leugneten, und welche behaupteten, er sei nur in Büchern vorhanden. Darüber wurde sehr viel gestritten und ich sagte einmal:

»Es ist impotentes Gesindel, aber durch giftigen Neid wird es uns viel Schaden tun! es wird zerstören und nichts aufbauen. Neid und Impotenz gehen Hand in Hand.«

Dann studierte ich Schriften von Luther, die mir bis dahin ganz unbekannt geblieben waren. Vielleicht ließ sich in ihnen das Schöpfungswort für das moderne Chaos entdecken, welches ich bei den Kommunisten nicht fand. Aber dabei erging es mir ganz schlecht. Ich bekam Anwandlungen von Rationalismus, weil ich von diesem dürren Spiritualismus, der mit dem dicksten Materialismus Hand in Hand ging, fürchterlich abgestoßen wurde, und dazwischen dann doch zuweilen einen Brocken fand, der mich in meiner Vorliebe für die angeerbte »Religion des Individuums« bestärkte. So nannte ich den Protestantismus, ohne gewahr zu werden, daß eine solche Religion alles andere eher ist als Religion, als das gemeinsame Band, welches alle Seelen umschlingt, um sie für das Himmelreich zu bilden. Ich schrieb:

»Ich bin im protestantischen Land, in protestantischer Zeit geboren, und bin meiner Geistesrichtung nach protestantisch. Aber vor der jetzt modischen evangelischen Kirche ekelt es mich! – Nein! Kirche – wenn Kirche sein soll! – gibt es für mich nur eine, die Katholische; und Sankt Augustinus deutet mir ihre Lehren – wenn Deutung sein soll! – eindringlicher, tiefer inniger als Luther.«

Die willkürliche Auffassung und Deutung waren es eben, weshalb ich meine Geistesrichtung protestantisch zu nennen beliebte, und in allen Schriften Luthers gefiel mir nichts so sehr, als das, was er über das Priestertum zum besten gibt:

»Ein jeglicher getaufter Christ, der ist auch schon ein Priester; nicht durch den Papst und Menschen dazu geweihet oder gemacht, sondern durch Christum selbst in der Taufe zum Priester gezeuget und geboren. Das ist Not zu wissen, auch um des päpstlichen Greuels willen, welcher den Namen Priester allein auf seinen beschornen Haufen gerissen hat.«

Da ich nun so gut getauft war wie jeder andere Christ meine Bibel so gut



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