Vom Wunsch, Indianer zu werden by Peter Henisch

Vom Wunsch, Indianer zu werden by Peter Henisch

Autor:Peter Henisch [Henisch, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Residenz Verlag
veröffentlicht: 2012-02-26T23:00:00+00:00


Jetzt jedoch fuhren sie nach Amerika. In aller Stille. Beinahe in aller Heimlichkeit. Keine lange Vorausplanung, keine Bekanntmachung durch den Verlag, keine Artikel (auch nicht in den wenigen ihm noch wohlgesinnten Zeitungen). Inkognito fuhren sie. Auch wenn das schwerfiel. Aber es hatte seine Gründe.

Dunkle und blutige? – Letztere hoffentlich nicht.

Obwohl … Was meinst du, sollen wirs ihm erzählen, Herzle?

Naja, wenn du glaubst, Schätzle. Es ist deine Entscheidung.

Es schien so, als würde es sich nicht vermeiden lassen.

Was wir Ihnen hiemit anvertrauen, sagte May, ist ein hochgradiges Geheimnis. Die Mission, in der ich diesmal in den Westen unterwegs bin, ist nämlich top secret. Es hängt viel davon ab, daß nur Leute davon erfahren, die es wert sind und schweigen können. Sie sind der erste. Ich hoffe sehr, daß Sie diese Auszeichnung zu schätzen und diese Verantwortung zu tragen wissen.

Der Herr Franz schluckte. Er fühlte sich sehr unbehaglich.

Er hatte zwar keine Ahnung, worauf May hinauswollte, aber schon die Art der Ankündigung verursachte ihm Trockenheit im Mund.

Eine Trockenheit, die ihn dazu veranlaßte, seine guten Vorsätze noch einmal hintanzustellen.

Er trank und schenkte sich nach. Übrigens schmeckte der Niersteiner wirklich nicht übel.

Also meine liebe Frau hat, sagte May, das habe ich Ihnen ja schon angedeutet, gewisse mediale Fähigkeiten.

Das sind, sagte Frau Klara (Bescheidenheit schien ihr gerade auf diesem Gebiet angebracht), das sind keine Fähigkeiten, das ist eine Gabe.

May: Schon recht, also eine gewisse mediale Gabe hat meine Gattin. Böse Zungen behaupten, sie habe sie benutzt, um meine erste Frau zur Einwilligung in die Scheidung zu bewegen.

Klara: Aber das ist eine ganz gemeine Verleumdung!

May: Natürlich. Ich sage es ja auch nur der Kuriosität halber.

Klara: Abgesehen davon, daß die arme Emma auch ohne mein Zutun schon ziemlich verrückt war. Stellen Sie sich bloß vor, gegen Ende hat mein guter Karl sogar befürchten müssen, daß sie ihm den Kaffee vergiftet!

Ja, hatte Emma gesagt, sie werde ihn umbringen. Ihn und seine geliebte Klara dazu. So etwas habe sie für ihre Freundin gehalten! So eine Schlange! Sie habe eine Schlange an ihrem Busen genährt!

(Emmas Busen unter dem wallenden Nachthemd. May erinnerte sich dieser Szene, als ob dabei ein Sturm getobt hätte. Ihr Schauplatz war aber die Tür zwischen dem Schlafzimmer und dem Ankleidezimmer. Also konnte es sich bestenfalls um Zugluft gehandelt haben.)

Aber warte nur, hatte Emma gesagt. Bild dir nur ja nicht ein, daß ich schweigen werde! Alles, alles werde sie öffentlich sagen. Kara Ben Nemsi eine Niete im Bett. Old Shatterhand ein verkappter Päderast. Die Wahrheit über die angeblichen Reisen des Herrn May.

Ich bitte dich, schrei nicht so, hatte May gesagt. Und hatte, jetzt erinnerte er sich genau, das bis dahin offene Schlafzimmerfenster geschlossen. Dann hatte er Emma zu umarmen und zugleich festzuhalten versucht. Aber da hatte sie ihn von sich gestoßen und ihm gezielt ins Gesicht gespuckt.

Und doch, wußte May, sie hatten sich einmal geliebt. Sie war eins der schönsten Mädchen von Ernstthal gewesen. Und er, ein Herr Redacteur, was immer das war. Wenn er, was demnächst der Fall sein würde, mit seinen Artikeln genug Geld verdiente, konnte er dort, in Dresden, eine größere Wohnung mieten und sie endlich mitnehmen.



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