Verwesung by Beckett Simon

Verwesung by Beckett Simon

Autor:Beckett, Simon
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Krimis, Thriller, Spionage
Herausgeber: rowohlt


Kapitel 17

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und trottete in der kühlen Stille des Hauses nach unten. Sophie schlief noch. Ich machte mir eine Tasse Tee und dachte über den gestrigen Tag nach. Normalerweise hätte ich das Radio eingeschaltet, um Nachrichten zu hören, oder wäre ins Internet gegangen. Aber ich wollte Sophie nicht stören, und im Haus gab es keine WLAN-Verbindung. So nippte ich an meinem heißen Tee und schaute zu, wie es draußen langsam heller wurde.

Das morgendliche Gezwitscher der Vögel erinnerte mich an die Eule. Ich zog Jacke und Stiefel an und ging hinaus. Der Nebel hatte sich verzogen, aber es war dunstig und nieselte. Auf den Zweigen der Apfelbäume und in den Spinnennetzen hingen Tropfen, und das Gras war nass.

Die Eule hatte einen schmierigen Fleck am Wohnzimmerfenster hinterlassen, auf dem Boden des Brennofens lagen aber nur noch ein paar feine, helle Federn. Hoffentlich hatte sich das Tier erholt und seine Zuflucht freiwillig verlassen. In der Gegend lebten eine Menge Füchse. Da die Tür offen gestanden hatte, könnte der verletzte Raubvogel leicht zur Beute geworden sein.

Ich spazierte um den Brennofen herum. Das Gerüst und die Stützwerke standen schon so lange vor den Mauern, dass sie mittlerweile mit dem Turm verwachsen zu sein schienen. Manche Stellen waren anscheinend vor einer Ewigkeit neu verputzt worden, doch zum größten Teil war das Gemäuer brüchig. Der lockere Ziegel, hinter dem Sophie ihren Schlüssel versteckte, war vermutlich nur einer von vielen. Den Ofen zu restaurieren, geschweige denn, ihn wieder zum Laufen zu bringen, wie sie hoffte, würde aufwendig und teuer werden.

Sie würde eine Menge Keramik verkaufen müssen. Aber ganz offensichtlich war sie talentiert. Die Schalen und Vasen in den Regalen waren durchweg schlicht, aber eindrucksvoll. Ich fuhr mit einer Hand über den harten Tonklumpen auf der Werkbank, der beinahe wie ein abstraktes Kunstwerk wirkte, gab ihm einen Klaps und ging zurück ins Haus.

Sophie war noch nicht auf, was gut war, denn sie brauchte Ruhe. Ich war hungrig und überlegte, ob ich Frühstück machen sollte, beschloss dann aber, auf sie zu warten. Ich war nur ein Gast und wusste nicht genau, wie sie es finden würde, wenn ich mich benahm, als wäre ich zu Hause.

Erst im Verlauf des Vormittags hörte ich, dass sie sich oben rührte. Als sie runterkam, hatte ich Tee gekocht.

«Morgen», sagte ich und reichte ihr den Becher. «Ich war mir nicht sicher, ob du lieber Tee oder Kaffee trinkst.»

Sie sah verschlafen und ein wenig verlegen aus. Sie trug einen weiten Pullover und Jeans und hatte sich das vom Duschen noch feuchte Haar zurückgebunden. «Tee ist genau richtig. Kaffee trinke ich immer erst, wenn ich mit der Arbeit anfange. Hast du gut geschlafen?»

«Ja», log ich. «Wie fühlst du dich?»

«Meine Wange tut noch ein bisschen weh, aber sonst geht es mir ganz gut.»

«Kannst du dich jetzt erinnern, was passiert ist?»

«Was? Ach so … Nein, es ist alles weg.» Sie ging zum Kühlschrank. «Was ist mit der Eule? Ist sie noch da?»

«Nein. Ich habe vorhin nachgeschaut.»

Sie grinste. «Siehst du? Ich hab ja gesagt, dass sie im Turm gut aufgehoben ist.



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