Tschechow-Lustige Geschichten by Anton Tschechow

Tschechow-Lustige Geschichten by Anton Tschechow

Autor:Anton Tschechow [Tschechow, Anton]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Projekt Gutenberg
veröffentlicht: 2011-08-24T17:06:36+00:00


Eine Tochter Albions

Übersetzt von Alexander Eliasberg

Vor dem Hause des Gutsbesitzers Grjabow hielt ein eleganter Wagen auf Gummirädern, mit einem dicken Kutscher und Samtpolstern. Aus dem Wagen sprang der Kreis-Adelsmarschall Fjodor Andrejitsch Otzow. Im Vorzimmer wurde er von einem verschlafenen Lakai empfangen.

»Ist der Herr zu Hause?« fragte der Adelsmarschall.

»Zu Befehl, nein. Die Gnädige sind mit den Kindern ausgefahren, um einen Besuch zu machen, und der Gnädige sind mit der Gouvernante beim Angeln. Seit dem frühen Morgen.«

Otzow stand eine Weile nachdenklich da und ging dann zum Fluß, um Grjabow zu suchen. Er fand ihn am Flusse, zwei Werst vom Hause entfernt. Als Otzow vom steilen Ufer hinunterblickte und Grjabow sah, mußte er laut auflachen... Grjabow, ein großer, dicker Mann mit einem sehr großen Kopf saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Ufersand und angelte. Neben ihm stand eine lange schlanke Engländerin mit hervorquellenden Krebsaugen und langer Vogelnase, die eher einem Angelhaken als einer Nase glich. Sie hatte ein weißes Mullkleid an, durch das ihre dürren gelben Schultern sehr deutlich hindurchschimmerten. Am goldenen Gürtel hatte sie eine goldene Uhr hängen. Auch sie angelte. Um die beiden herum herrschte eine Grabesstille. Beide waren so unbeweglich wie der Fluß, auf dem ihre Korke schwammen.

»... Die Lust zum Dinge macht alle Mühe geringe!« sagt Otzow lachend. »Guten Tag, Iwan Kusmitsch!«

»Ach so, das bist du?« fragte Grjabow, ohne den Blick von der Wasserfläche loszureißen. »Bist du hergekommen?«

»Wie du siehst ... Du aber gibst dich noch immer mit diesem Blödsinn ab! Ist es dir noch nicht zu dumm geworden?«

»Keine Spur ... Den ganzen Tag angele ich, seit dem frühen Morgen ... Heute wollen die Fische gar nicht anbeißen. Wir sitzen und sitzen und haben noch nichts gefangen! Es ist einfach zum Schreien!«

»Spuck doch drauf. Komm, wollen wir ein Schnäpschen trinken!«

»Wart' ... Vielleicht fangen wir doch noch etwas. Gegen Abend beißen die Fische besser an. Seit dem frühen Morgen sitze ich hier, Bruder! Es ist so langweilig, daß ich es dir gar nicht beschreiben kann. Hat mich auch der Teufel verführen müssen, mir dieses Angeln anzugewöhnen! Ich weiß wohl, daß es ein Blödsinn ist, und doch sitze ich da! Ich sitze wie ein Schuft, wie ein Zuchthäusler und starre auf das Wasser wie ein Idiot. Ich müßte eigentlich zum Heuschlag, sitze aber hier und angele. Gestern hielt in Chaponjewo der Bischof einen Gottesdienst ab, und ich fuhr gar nicht hin; saß die ganze Zeit hier mit dieser Hopfenstange ... mit dieser Hexe...«

»Bist du verrückt?« fragte Otzow, mit einem verlegenen Seitenblick auf die Engländerin. »Du fluchst in Gegenwart einer Dame ... und dazu noch auf sie selbst ...«

»Hol' sie der Teufel! Sie versteht doch keinen Ton Russisch. Ob du sie lobst oder beschimpfst, ist ganz gleich. Schau nur ihre Nase an! Von der Nase allein kann es einem schlecht werden! Ganze Tage sitzen wir zusammen, und wenn sie auch nur ein Wort gesprochen hätte! Sie steht wie eine Vogelscheuche da und starrt aufs Wasser.«

Die Engländerin gähnte, tat einen neuen Wurm an den Haken und angelte weiter.

»Ich staune nicht wenig, Bruder!« fuhr Grjabow fort.



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