Sumerer und Akkader by Gebhard J. Selz;

Sumerer und Akkader by Gebhard J. Selz;

Autor:Gebhard J. Selz;
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406692819
Herausgeber: Verlag C.H. Beck


4.3.3. Enhedu’ana – Priesterin und Literatin

Sargon inthronisierte seine Tochter Enhedu’ana als Hohepriesterin des Mondgottes in Ur; sie übte noch unter seinem dritten Nachfolger Naram-Sîn ihr Amt aus. Enhedu’ana ist wohl die bedeutendste Frauengestalt des 3. Jahrtausends. Sie galt als Frucht einer Verbindung des Herrschers mit einer Hohepriesterin von Ur. Von ihr selbst oder in ihrem Namen wurden zahlreiche Literaturwerke geschaffen bzw. zusammengestellt. Sie bestimmen unseren Eindruck von der älteren mesopotamischen Literatur ganz wesentlich. Auch wenn der Stellenwert der in diesen Werken enthaltenen politischen Anspielungen umstritten ist, so steht doch die Tatsache, dass die Enhedu’ana-Texte maßgeblich zur Synkretisierung der sumerischen und akkadischen Religionen beigetragen haben, außer Zweifel. Man gewinnt sogar den Eindruck, Enhedu’ana habe ein religionspolitisches Programm der Harmonisierung dieser Religionen vertreten, um den traditionellen Religionszentren die weltanschauliche Rechtfertigung für die politischen Taten der altakkadischen Herrscher zu liefern.

Zwei Enhedu’ana-Texte «Herrin aller Me»[∗] und «Oberherrin, Mutige» beginnen mit einer breiten hymnischen Einleitung und handeln von der Stellung Inanas im Pantheon, insbesondere von ihrer Erhöhung zur Gemahlin Ans. Der Anfang von «Herrin aller Me» lautet:

«Herrin aller Me, strahlend erschienenes Licht, rechte Frau, Strahlenglanz tragend, mit großartigen Ornamenten geschmückt, Gespielin/Göttin des Himmels, geliebt in Himmel und Erde, die die rechte Krone liebt, zur Priesterschaft inthronisiert, deren Hand alle «sieben» Me erreicht hat: O meine Herrin, aller großen Me Versammlerin bist Du!» Es folgt eine Schilderung der Göttin als Kampfessturm und Zerstörerin, und die großen Götter fliehen vor ihr wie Fledermäuse. Die Göttin ist die älteste Tochter des Mondgottes. Sie macht sich das Fremdland botmäßig. Als sie jedoch die Stadt Uruk verlässt, die ihrem ‹Vater› An gehört, hört das Geschlechtsleben auf. Es folgt ein Lobpreis der Größe der Göttin, die mit Enhedu’ana parallelisiert wird; sie muss Ur verlassen, und lebt «in Quarantäne». Als Grund dafür wird die Hybris eines gewissen Lugalane genannt. Hierbei handelt es sich vielleicht um einen Namen des Herrschers Amar-Girid von Uruk, der unter Naram-Sîn den Aufstand der sumerischen Südkoalition leitete. Die Städte Ur und Uruk werden verflucht, da sie sich gegen ihre Götter vergangen hätten. Enhedu’ana klagt dann dem Mondgott ihr Schicksal. Sie fleht auch zur «Venusgöttin» Inana, die nun als «Geliebte von An» bezeichnet wird, und deren fortan gültiger Titel «Erste Königin», den früheren Titel der «Jüngeren Königin» ersetzt. Offensichtlich wird Inana nunmehr zur offiziellen Gemahlin des Himmelsgottes.

Der andere Text beginnt folgendermaßen: «Oberherrin, Mutige, Fürstin des Kampfes, stolzeste der Anuna-Gottheiten, alle Länder überschreitend, große Tochter des Mondgottes, berühmt unter den großen «Prinzen», Fürstin, Tatkräftige, die alle Me sammelt, mit dem Himmelsgott gleichgestellt, Stärkste unter allen großen Göttern, die ihnen die ‹Zeichen› vollendet(?), auf ihr erhabenes Wort hin kriechen die Anuna-Götter. Dieses (Wortes) «Weg» kennt der Himmelsgott nicht, er kann gegen ihren (der Göttin) Befehl nicht angehen.» Besonders erstaunlich ist dabei die wiederholte Betonung der Überlegenheit Inanas über den Himmelsgott. Sie erscheint als ‹Allmächtige›, zuständig für nahezu alle Lebensbereiche: «Ohne Dich wird keinerlei Schicksal entschieden; kein ausgefeilter Ratschluss findet Zustimmung; Laufen, Fliehen, Beruhigen (und) Befrieden sind Deins, Inana; Herumirren, Beeilen, Fallen, Aufstehen sind Deins, Inana; … Zerstören und Aufbauen, Herausreißen und



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