Shakespeare - wie ich ihn sehe by Bryson Bill

Shakespeare - wie ich ihn sehe by Bryson Bill

Autor:Bryson, Bill [Bryson, Bill]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-04-26T22:00:00+00:00


Was genau Shakespeare mit »Schule finstrer Nacht« meinte, muss sich jeder selbst zusammenreimen. Gleichermaßen dunkel ist am Anfang von Der Kaufmann von Venedig der Satz »sah meinen >reichen Hans‹ im Sande fest«, der sich auf ein Schiff, aber auch auf einen Menschen beziehen kann. Doch die allervieldeutigste Stelle ist die Zeile in König Lear, die (im Quarto von 1608) »swithald footed thrice the old, a nellthu night more and her nine fold« lautet. Obwohl der Satz in den 400 Jahren seit damals in vielen Versionen erschienen ist, hat es niemand geschafft, ihm auch nur den geringsten Sinn zu entlocken. Graf Baudissin macht daraus: »Sankt Withold ins Feld dreimal wollt’ schreiten: Kommt die Nachtmähr’ und ihre neun Füllen von weitem.«

»Shakespeare konnte weitschweifig sein, unverständlich, unbeholfen im Ausdruck, unelegant im Stil und nach Schema F Verse schmieden«, schreibt Stanley Wells. »Selbst in seinen größten Stücken spüren wir manchmal, wie er auf Kosten der Sprache mit der Handlung kämpft oder es zulässt, dass ihm die Feder überfließt und die Schauspieler oft länger reden müssen, als es die Situation erfordern würde.« Charles Lamb hatte schon viel früher angemerkt: Shakespeare »lässt eine Zeile in die andere laufen, verdreht Sätze und Metaphern, und bevor eine Idee ganz aus dem Ei geschlüpft ist, hat schon eine andere ihre Schalen angepickt und schreit nach Befreiung«.

Unter seinen Zeitgenossen war Shakespeare berühmt für sein Schreibtempo und dafür, wie sauber er schrieb – das jedenfalls wollen uns seine Kollegen John Heminges und Henry Cordell glauben machen. »Hand und Geist waren bei ihm eins«, schrieben sie in der Einleitung zur ersten Folioausgabe, »und er drückte seine Gedanken mit einer Leichtigkeit aus, dass man wohl schwerlich ein Blatt findet, auf dem etwas durchgestrichen ist.« Worauf Ben Jonson giftig erwiderte: »Hätte er doch tausend [Zeilen] durchgestrichen!«

Hat er vielleicht ja auch. Doch wir haben betrüblicherweise nur eine Quelle, die handschriftliche Fassung eines Stücks über das Leben von Thomas Morus, die uns vielleicht, vielleicht einen kleinen Einblick in Shakespeares Arbeitsweise gewährt. Das Stück wurde mehrfach überarbeitet, in sechs Handschriften abgefasst und, wie gesagt, nie aufgeführt. (Einer der Autoren war Henry Chettle, der Mann, der sich so schleimig für seine Rolle bei der Veröffentlichung von Greene’s Groat’s-Worth bei Shakespeare entschuldigte.) Da der Protagonist ein loyaler, glühender Katholik war, der einem Tudormonarchen die Stirn bot, überrascht es wohl eher, dass er überhaupt jemandem als geeignete Hauptfigur für ein Drama erschien.

Manche Experten glauben, dass Shakespeare drei der erhaltenen Seiten schrieb. Wenn dem so ist, gewinnen wir auch hier wieder interessante Einblicke, denn es werden darauf fast keine Zeichen gesetzt, und die Rechtschreibung ist so frei, dass einem geradezu schwindlig wird. Stanley Wells hat festgestellt, dass das Wort »sheriff« in fünf Zeilen fünf Mal verschieden geschrieben wird – »shreiff«, »shreef, »shreevee, »Shreiue« und »Shreue« –, was selbst bei dem lockeren, fantasievollen Umgang der Elisabethaner mit der Orthografie rekordverdächtig ist. In dem Text sind auch Zeilen gestrichen und welche eingefügt – Shakespeare hat also gestrichen! Wenn er denn der Schreiber war. Die Beweise dafür gründen auf Ähnlichkeiten im Buchstaben a in



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