Schwarzwaelder Dorfgeschichten by Berthold Auerbach

Schwarzwaelder Dorfgeschichten by Berthold Auerbach

Autor:Berthold Auerbach [Auerbach, Berthold]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Cotta
veröffentlicht: 1884-12-14T23:00:00+00:00


Ein Gang in's Pfarrhaus.

Wir haben Luzian auf Schritt und Tritt so unablässig begleitet, daß wir uns fast ausschließlich in seinem Hause einbürgerten. Jetzt wird es uns fast so schwer wie dem Luzian selbst, nach dem Pfarrhause zu gehen.

Das acht Fenster breite Haus hat an der Straßenseite keinen Eingang, wir müssen über den eingefriedeten Rasenplatz an der Kirche und dort an der verschlossenen Thüre klingeln.

Wir schreiten über einen bedeckten Gang, stehen nochmals vor einer verschlossenen Thür, die sich aber durch einen Zug von innen öffnet. Wie friedsam und still ist es hier; Treppe und Hausflur sind so rein wie geblasen, die Wände sind schneeweiß getüncht; kein Ton ließe sich hören, wenn nicht ein weißer Spitzhund bellte, den ein großes, stattliches Frauenzimmer, halb bäurisch gekleidet, zu beruhigen sucht. Das ganze Haus steht da wie eine stille Klause, mitten im lärmenden Getriebe der Menschen. Es ist ein Anbau an die Kirche und es scheint sich darin zu wohnen, so andächtig still, als wohnte man in der Kirche selbst. Schüttle den Staub von den Füßen und wandle durch die Reihe der Zimmer, sie sind alle weiß getüncht, spärlich mit Hausrath versehen, denn es hat keine familienhafte Gemeinsamkeit hier ihre Stätte. Nirgends liegt da oder dort eines jener hundertfältigen Werkzeuge des Haushaltes in anheimelnder Zerstreutheit umher. Alles hat seinen gemessenen Ort und scheint fest zu stehen, wie die großen braun lackirten Kachelöfen. Eine gewisse Oede liegt in der dünnen Luft. Die Schlösser an den Thüren gehen hart. Ein Cruzifix ist die einzige Verzierung jeden Zimmers, nur in dem vorletzten, in das wir jetzt treten, wo das Bett mit drüber gebreiteter weißer Decke steht, hängen außerdem noch Steinzeichnungen der Evangelisten, und zu Häupten des Bettes das Bildniß des Papstes Pius IX. in schwarzem Rahmen. Jetzt endlich treten wir in die tabaksdampferfüllte Studirstube. Wir treffen hier eine außerordentliche Anzahl von Büchern, denn unser Pfarrer gehört zu denen, die neuerdings mit dem Protestantismus um die Palme der Wissenschaft ringen. Nicht umsonst hat er schon auf der Universität den theologischen Preis gewonnen durch eine Abhandlung über das Verhältniß der Neuplatoniker zu den Christen. Schon früh am Morgen treffen wir ihn vollständig angekleidet in seiner Studirstube, denn er hat, wie sich's gebührt, nüchtern die Messe gelesen und sein Tagewerk wäre nun eigentlich vollendet, wenn er nicht selbst sich ein neues auferlegte. Er ist von dem entschiedensten Eifer beseelt, thätig an mehreren Zeitschriften, und verfolgt mitten im Kleingewehrfeuer derselben mit Eifer alle Erscheinungen im Gebiete theologischer Literatur. Selten wird diese Morgenstille von der Anmeldung einer Taufe oder sonstiger Amtshandlung unterbrochen. Nur manchmal macht sich der Pfarrer plötzlich auf und überrascht den Lehrer in der Schule mitten im Unterricht. Am Mittagstisch sitzt er still bei seiner Schwester, die ihm durch die Vermittlung der Magd das Leben in allen Häuslichkeiten zuträgt. Erst gegen Abend geht der Pfarrer aus, und obwohl von streng ascetischer Richtung, weiß er doch nirgends anders hinzugehen als in's Wirthshaus. Dort sitzt er im Gespräche mit Gemeindegliedern, die sich ihm nähern und mit zufällig eingetroffenen Bekannten, oder auch oft allein. So vergeht ein Tag um den andern.



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