Schade um den schönen Sex by Simon Borowiak

Schade um den schönen Sex by Simon Borowiak

Autor:Simon Borowiak [Borowiak, Simon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Eichborn
veröffentlicht: 2015-08-18T00:00:00+00:00


Nein, Erwachsene in Gang bleiben in Gang. Wir gingen über die Roya-Brücke zur Altstadt, just gegenüber der Brücke lugte eine kleine Pizzeria hervor, die ich bisher übersehen hatte. Aber wie gesagt: Restaurants sind für mich überhaupt keine Eye-Catcher. Der Laden war gottseidank so gar nicht fein und lotterleer. Die Landvogts setzten uns an einen Vierertisch in der Mitte, eine alte Frau kam herangeschlurft, und Landvogt begann, in pompösen italienischen Lauten auf sie einzuschwadronieren. Im Zuge seines Redeschwalls schlug sie einmal gewollt übertrieben nach ihm und lachte dazu halbgenierlich, wobei das ganze Ausmaß seiner Anzüglichkeit von uns Sprachlaien nicht zu ermessen war. Die alte Frau hatte vier dicke Speisekarten auf den Tisch gelegt und wartete nun auf eine rasche Bestellung der Getränke, aber diese geriet zum zeitraubenden Durcheinander. Die Landvogts fragten, ob man gemeinsam eine Karaffe Wein? Ich sagte, ich dürfe nicht. Was?, fragten die Landvogts enttäuscht. Cromwell meinte, er würde auch passen. Wie bitte?, fragten die Landvogts beinahe beleidigt. Die alte Frau schaute uninteressiert vom einen zum anderen. Warum muss man sich in dieser Welt für jeden, aber auch jeden Fliegenpups rechtfertigen? Was ist eigentlich aus der schönen alten Sitte der Ignoranz geworden? Einfach ignorieren, so stehen lassen, nicht hinterfragen! Es wird ansonsten doch auch alles ignoriert, was nicht bei drei im TV ist! ALLES kann man ignorieren! Die Gefühle seiner Mitmenschen, die Straßenverkehrsordnung, ganze Hungerkatastrophen lassen sich ignorieren! Und jetzt? Der eine will keinen Alkohol trinken, und der andere auch nicht. Ja und? Muss das jetzt erst mal vor einen Ausschuss, oder was? Es war klar, dass sich die Landvogts in ihren schlimmsten Träumen keine zwei Volljährigen vorstellen konnten, die den Konsum alkoholischer Getränke ernsthaft ablehnten. Oder verschoben. Oder einfach nicht in der Laune dazu waren. »Ach nein! Was soll d a s denn! Den Rosso, probiert wenigstens den Rosso!«

Schleicht euch mit eurem Rosso! Ich will nicht und basta! Ich frag euch ja auch nicht, warum ihr nicht nüchtern bleibt! »Gnä Frau führen ein Leben, das nur im Suff zu ertragen ist? Und der Herr Gemahl – braucht er jetzt sein Deputat, weil er sonst in den Entzug rauscht? Na denn: Heda, Wirt! Trag er auf!« Ich stöhnte vor lauter Höflichkeit in mich hinein, ließ unseren Fußmarsch noch mal Revue passieren sowie den Verlust meines Lappens und überlegte, welche Wirkung eine Behauptung wie »Ich muss noch fahren!« auf die Landvogts haben könnte. Doch Cromwell hielt unsere Fackel der Konsumfreiheit hoch: Wir beide gehörten zu der seltenen Spezies, denen die meisten Alkoholika weder schmeckten noch bekämen. Darum hätten wir schon zwei gute Gründe für einen Verzicht: erstens den Mangel an Genuss, zweitens den Mangel an späterem Unwohlsein. Die Landvogts wirkten nun nicht mehr beleidigt, sondern so, als hätten wir sie vorsätzlich getäuscht. Da geht man mit Leuten auf ein Glas, und das asoziale Pack trinkt nicht! ER bestellte jetzt sehr schnell Getränke, rauszuhören waren rosso und aqua, und dann folgte ein Satz, der augenscheinlich uns abstinente Pfeifen bei der alten Frau entschuldigen oder lächerlich machen sollte, denn ER lachte, SIE lachte, die alte Frau lachte und tätschelte sogar meine Schulter.



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