Schach von Wuthenow (German Edition) by Fontane Theodor

Schach von Wuthenow (German Edition) by Fontane Theodor

Autor:Fontane, Theodor [Fontane, Theodor]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-30T22:00:00+00:00


Zehntes Kapitel

»Es muß etwas geschehn«

Die »Weihe der Kraft« wurde nach wie vor gegeben, und Berlin hörte nicht auf, in zwei Lager geteilt zu sein. Alles, was mystisch-romantisch war, war für, alles, was freisinnig war, gegen das Stück. Selbst im Hause Carayon setzte sich diese Fehde fort, und während die Mama teils um des Hofes, teils um ihrer eignen »Gefühle« willen überschwenglich mitschwärmte, fühlte sich Victoire von diesen Sentimentalitäten abgestoßen. Sie fand alles unwahr und unecht und versicherte, daß Schach in jedem seiner Worte recht gehabt habe.

Dieser kam jetzt von Zeit zu Zeit, aber doch immer nur, wenn er sicher sein durfte, Victoiren in Gesellschaft der Mutter zu treffen. Er bewegte sich wieder viel in den »großen Häusern« und legte, wie Nostitz spottete, den Radziwills und Carolaths zu, was er den Carayons entzog. Auch Alvensleben scherzte darüber, und selbst Victoire versuchte, den gleichen Ton zu treffen. Aber ohne daß es ihr glücken wollte. Sie träumte so hin, und nur eigentlich traurig war sie nicht. Noch weniger unglücklich.

Unter denen, die sich mit dem Stück, also mit der Tagesfrage beschäftigten, waren auch die Offiziere vom Regiment Gensdarmes, obschon ihnen nicht einfiel, sich ernsthaft auf ein Für oder Wider einzulassen. Sie sahen alles ausschließlich auf seine komische Seite hin an und fanden in der Auflösung eines Nonnenklosters, in Katharina von Boras »neunjähriger Pflegetochter« und endlich in dem beständig Flöte spielenden Luther einen unerschöpflichen Stoff für ihren Spott und Übermut.

Ihr Lieblingsversammlungsort in jenen Tagen war die Wachtstube des Regiments, wo die jüngeren Kameraden den diensttuenden Offizier zu besuchen und sich bis in die Nacht hinein zu divertieren pflegten. Unter den Gesprächen, die man in Veranlassung der neuen Komödie hier führte, kamen Spöttereien wie die vorgenannten kaum noch von der Tagesordnung, und als einer der Kameraden daran erinnerte, daß das neuerdings von seiner früheren Höhe herabgestiegene Regiment eine Art patriotische Pflicht habe, sich mal wieder »als es selbst« zu zeigen, brach ein ungeheurer Jubel aus, an dessen Schluß alle einig waren, »daß etwas geschehen müsse«. Daß es sich dabei lediglich um eine Travestie der »Weihe der Kraft«, etwa durch eine Maskerade, handeln könne, stand von vornherein fest, und nur über das »Wie« gingen die Meinungen noch auseinander. In Folge davon beschloß man, ein paar Tage später eine neue Zusammenkunft abzuhalten, in der, nach Anhörung einiger Vorschläge, der eigentliche Plan fixiert werden sollte.

Rasch hatte sich's herumgesprochen, und als Tag und Stunde da waren, waren einige zwanzig Kameraden in dem vorerwähnten Lokal erschienen: Itzenplitz, Jürgaß und Britzke, Billerbeck und Diricke, Graf Haeseler, Graf Herzberg, von Rochow, von Putlitz, ein Kracht, ein Klitzing und nicht zum letzten ein schon älterer Lieutenant von Zieten, ein kleines, häßliches und säbelbeiniges Kerlchen, das durch entfernte Vetterschaft mit dem berühmten General und beinahe mehr noch durch eine keck in die Welt hineinkrähende Stimme zu balancieren wußte, was ihm an sonstigen Tugenden abging. Auch Nostitz und Alvensleben waren erschienen. Schach fehlte.

»Wer präsidiert?« fragte Klitzing.

»Nur zwei Möglichkeiten«, antwortete Diricke. »Der längste oder der kürzeste. Will also sagen, Nostitz oder Zieten.«

»Nostitz, Nostitz«, riefen alle durcheinander, und der so durch Akklamation Gewählte nahm auf einem ausgebuchteten Gartenstuhle Platz.



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