Robert der Schiffsjunge by Wörishöffer Sophie

Robert der Schiffsjunge by Wörishöffer Sophie

Autor:Wörishöffer, Sophie
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


»Sich, du Schlingel«, dachte der Junge belustigt. »Da sitzest du im Trocknen und pflegst deine faule Haut, während deine betörten Brüder arbeiten. Kann mir schon denken, wie die Gaukelei eingefädelt wird, – du betest und rufst Jubinals Gnade auf deinen Stamm herab, als würdige Vorbereitung für das Opferfest, nicht wahr? In Wirklichkeit aber läßt du dich von deinen Stammesgenossen versorgen und hast keineswegs vergessen, eine tüchtige Flasche Branntwein in die geweihteEinsamkeit mit hineinzunehmen. – Will mir aber die Geschichte um jeden Preis ansehen.«

Er stand auf und ging zu der Alten am Feuer. Obgleich sich die Wunde, die ihm der Wolf gerissen hatte, auf dem Rücken seiner Hand befand, so schmerzte sie ihn doch bei der Näharbeit sehr stark, und daher hoffte er auf ein wenig Salbe, die ihm das Mütterchen auch bereitwillig gab. Ein Gericht Fleisch mit Zwiebeln erhielt er obendrein.

»Wozu diese Leute eigentlich ihre Wohnungen haben«, dachte er. »Alles geschieht in Freien: essen, arbeiten, plaudern, kochen. Die Hütte dient nur zum Schlafen.«

Er aß das Fleisch nicht ohne einiges Widerstreben und half dann gutmütig der Alten, die Menge hölzerner Löffel und Schüsseln wieder abzuwaschen. Handtücher gab es nicht, sondern jeder Napf wurde umgestülpt, und damit war alles getan, was die Reinlichkeitsbedürfnisse des Stammes erforderten.

Bis Robert die Mütze für den Alten fertig hatte, war es bereits dunkel geworden, und mehrere von den Männern gingen in die Ebene hinab, um die Rentiere herbeizutreiben. Fast alle kamen auf den bekannten schrillen Pfiff ihrer Hüter freiwillig heran und ließen sich melken, diejenigen aber, die das Zeichen des Hirten unbeachtet ließen, wurden mit einem langen ledernen Lasso eingefangen. Robert zählte über hundert Köpfe, darunter mindestens dreißig milchgebende Kühe, natürlich aber zu dieser Jahreszeit keine Kälber. Die ganze Herde wurde, nachdem sie gezählt worden war, ohne weiteres für die Nacht sich selber überlassen. Diese Tiere sind ebenso anhänglich wie klug, sie folgen wie Hunde ihrem Herrn und brauchen deshalb nicht eingesperrt werden.

Nur das Reittier blieb gefesselt. Jedenfalls gehörte es dem Zauberer, der hinter seinen Zeltwänden eben noch einen so gesunden Appetit entwickelt hatte. Robert lachte, sooft er sich der Hand erinnerte, die den gefüllten Napf sorgfältig in Sicherheit brachte, während jedenfalls der ganze Stamm gläubig annahm, daß mit dem Inhalt des Geschirres den Göttern ein Opfer bereitet werde. Er freute sich auf das bevorstehende Schauspiel dermaßen, daß ihm die nächste Nacht nur von Feuer und krähenden Hälmen träumte. So merkwürdig hatte er sich die Reise an den Nordpol auch in seinen kühnsten Erwartungen nicht gedacht.

Am nächsten Morgen war seine erste Frage: »Mongo, worauf warten die braunen Gesellen, ehe sie ihre Zauberkünste beginnen?«

Der Neger kroch behaglich tiefer in die warmen Felle hinein. »Auf den Vollmond, du ungeduldiger Mensch«, sagte er. »Für heute geschieht noch nichts.«

Und so wurde es tatsächlich. Der zweite Tag verging wie der erste, Robert entwickelte seine Schneiderkünste, beobachtete das verschlossene Zelt und rauchte das geheimnisvolle Kraut, das er heute mißmutig Mongo gegenüber für getrocknete Reste von Kohl oder Rüben erklärte. Die neue Mütze saß ihm frech auf einem Ohr, die großen Seestiefel hatten frischen Tranglanz erhalten, und die zerrissene Jacke war mit Rentierzwirn ausgebessert worden.



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