Richter 08 by Gulik

Richter 08 by Gulik

Autor:Gulik
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-04T05:00:00+00:00


12

Sobald Herr Kung die Tür hinter ihm geschlossen hatte, ging Richter Di zur gegenüberliegenden Tür. Sie war unverschlossen. Doch als er sie ganz geöffnet hatte, stellte er fest, daß niemand da war. Eine qualmende Kerze stand auf dem Bambustisch; sie war fast niedergebrannt. Außer einem aufgeschlagenen Bett und zwei Stühlen waren keine anderen Möbelstücke vorhanden. Weder Kästen noch Bündel waren da, nicht ein einziges Kleidungsstück hing an den hölzernen Kleiderhaken. Wäre nicht die brennende Kerze gewesen, man hätte gemeint, das Zimmer sei unbewohnt.

Der Richter zog eine Schublade heraus, doch sie enthielt nichts als Staub. Er kniete nieder und schaute unter das Bett. Nichts war zu sehen außer einer forthuschenden kleinen Maus.

Er stand wieder auf, wischte sich den Staub von den Knien und verließ das Zimmer, um Tau Gans Quartier aufzusuchen. Er nahm an, daß sein hagerer Gehilfe der Gesellschaft der Schauspieler überdrüssig geworden sein würde.

Er fand Tau Gan allein in seinem kahlen, kalten Zimmer sitzen, den Kopf über einen offenen Rost mit wenigen glühenden Kohlen haltend. Tau Gan war es zuwider, mehr als unbedingt notwendig zu verbrauchen. Als er den Richter eintreten sah, hellte sich sein Gesicht auf. Im Aufstehen fragte er schnell: »Was ist passiert, Euer Gnaden? Überall habe ich gesucht, aber –«

»Gib mal erst eine Schale Tee her!« war Richter Dis kurze Antwort. »Hast du zufällig was zu essen da?« Während Richter Di schwerfällig an dem kleinen Tisch Platz nahm, kramte Tau Gan eilig in seiner Reisetasche herum und fand zwei getrocknete Ölkuchen. Er reichte sie dem Richter und meinte unsicher: »Tut mir leid, daß ich nichts anderes anzubieten habe …«

Der Richter biß gierig hinein.

»Sie sind ausgezeichnet!« erklärte er befriedigt. »Die haben mit dem vegetarischen Firlefanz nichts zu tun! Wie appetitlich sie nach Schweinefett duften!«

Nachdem er die Kuchen gekaut und drei Schalen Tee getrunken hatte, gähnte er behaglich und meinte: »Das einzige, wonach ich mich jetzt sehne, sind ein paar Stunden guten, festen Schlafs! Indessen, obwohl einige unserer Probleme gelöst sind, bleiben uns noch verschiedene dunkle Punkte zu klären übrig. Darunter ein Mordversuch!« Er erzählte, was sich zugetragen hatte, und weiter die Hauptzüge seiner Gespräche mit Fräulein Ting und dem Pseudofräulein U-yang. »Du siehst also«, schloß er, »daß der Fall der frommen Jungfrau Weiße Rose so gut wie abgeschlossen ist. Morgen früh, vor meiner Abreise, werde ich mit ihr und Frau Pau reden. Offen bleibt die Frage, wer mir auf den Kopf schlug und aus welchem Grund!«

Tau Gan saß in tiefem Sinnen da, indem er die drei langen Haare, die auf seiner linken Wange sproßen, um seinen Zeigefinger unaufhörlich auf- und abwickelte. Endlich begann er: »Fräulein Ting sagte Euch, daß Mo Mo-te sich hier im Kloster auskennt. Könnte er vielleicht ein taoistischer Wandermönch sein? Diese Burschen durchstreifen das ganze Reich; sie besuchen die taoistischen Kultstätten und begehen allerhand Missetaten unterwegs. Da sie sich die Köpfe nicht kahl rasieren wie die Buddhisten, können sie überall leicht als Laien durchgehen. Vielleicht hat Mo Mo-te dieses Kloster schon früher besucht, wahrscheinlich ist er in einen oder mehrere Todesfälle der drei Mädchen verwickelt.



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