Novellen by Leskow Nikolai

Novellen by Leskow Nikolai

Autor:Leskow, Nikolai
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2024-01-05T00:00:00+00:00


VII

In keiner der Erzählungen, die ich über Wischnewskij hörte, nimmt er als Vater und Erzieher eine charakteristische Stellung ein; er wird ausschließlich als »Erzeuger« erwähnt. Im übrigen wird berichtet, daß, als um jene Zeit in Petersburg »die Institute eingeführt wurden« und der eingesessene Adel auf Wunsch der Kaiserin die Aufforderung erhielt, seine Töchter zur Erziehung dorthin zu bringen, Wischnewskij nach Petersburg reiste und seine Tochter persönlich hinbrachte. Jedoch wird dieser Umstand nicht erwähnt, um die väterliche Fürsorge Wischnewskijs zu bezeugen, sondern weil diese Reise mit einem anderen interessanten Ereignis in Verbindung steht, von dem später berichtet werden wird. Auch als Gutsbesitzer, in seiner Eigenschaft als Herr, Richter und Züchtiger der ihm untergebenen Leibeigenen bewies Wischnewskij keine besondere Originalität, sondern führte die Herrschaft, »wie sie von alter Zeit her geführt wurde.« Alles wurde durch Leibeigene und gemietete rechtgläubige oder polnische Aufseher verrichtet. Wischnewskij hatte einige Polen in seinem Dienst, gegen die er keinerlei Feindschaft hegte, über die er sich aber gerne lustig machte. Auch einige Juden waren da, die der Psychopath auf verschiedene Weise zu erschrecken pflegte. Mehr als einen von ihnen hatte er zu Tode erschreckt, aber sie kamen immer wieder zu ihm, da Wischnewskij manchmal freigebig war und ihnen manchen Verdienst zukommen ließ. Im übrigen benützte er die Juden als Kommissionäre. Aber Gott sei dem gnädig, der ihn betrog! Er ließ ihn mit Ruten und Peitschen schlagen und quälte ihn fast noch mehr durch Furcht.

Wischnewskij war auch Patriot, was sich à la longue in seiner Vorliebe für den kleinrussischen Kaftan und die kleinrussische Sprache äußerte, und zudem — in seiner Verachtung für die Ausländer. Besonders wenig schätzte er die Deutschen, die er aus zwei Gründen nicht achten konnte: erstens, weil sie »stockbeinig« sind, und zweitens, weil ihm ihr Glaube nicht gefiel, — »sie verehren die Heiligen nicht«. Stepan Iwanowitsch nahm von sich an, daß er »die Heiligen verehre«. Er war in Glaubenssachen vollkommen unwissend und kritiklos und ließ sich auch nicht auf religionsphilosophische Fragen ein, da er fand, daß dies eine »Sache der Popen« sei; er »beschützte und verteidigte nur als Ritter seinen Glauben vor allen Andersgläubigen«. Er sah in diesem Punkte mit den Augen des einfachen Volkes, das nur die Rechtgläubigen zu den Christen zählt, alle übrigen »andersbetenden« Christen für Ungläubige, die Juden aber und »das ganze sonstige Pack« als unrein ansieht. Aber auch der Ausländer, ja sogar der Deutsche, konnte an den Tisch Stepan Iwanowitschs gelangen, und einer — gerade ein Deutscher — lebte sogar in seinem Hause und genoß sein Vertrauen; doch bevor sich der »Ungläubige« ihm nähern durfte, suchte sich das religiöse Gewissen Wischnewskijs Genugtuung und Frieden mit sich selbst zu verschaffen. Stepan Iwanowitsch, der nach seinem eigenen Geständnis »keinen Katechismus gelernt hatte«, hatte für den Empfang von Andersgläubigen eine sehr konkret formulierte Frageordnung aufgestellt.

Stepan Iwanowitsch fragte den Lutheraner oder Katholiken: »Nun, wenn du auch anders glaubst und betest als wir, den heiligen Wundertäter Nikola achtest du doch gewiß?«

Der so geprüfte Andersgläubige wußte aus zuverlässigen Gerüchten, was mit ihm geschehen würde, wenn er es wagen



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