No Copyright by Joost Smiers Marieke van Schijndel
Autor:Joost Smiers, Marieke van Schijndel
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Alexander Verlag
Wettbewerbsrecht: ein kaum zu unterschätzendes Instrument
Wie gesagt: Es gibt bereits ein Wettbewerbsrecht, das Instrument steht zur Verfügung, und wir werden jetzt aktiv darauf zurückgreifen, um die relevanten Märkte umzugestalten. Idealerweise gewährleistet das Wettbewerbsrecht gleiche Rahmenbedingungen für alle. Genau darauf wollen wir hinaus. Aber wie gut funktioniert dieses juristische Instrument tatsächlich? Wir können uns durchaus vorstellen, welcher Einwand hier erhoben wird: dass nämlich das Wettbewerbsrecht immer nur dann zum Zuge kommt, wenn eine Partei sich benachteiligt fühlt und vor Gericht zieht. Das kann zum Beispiel ein Unternehmen sein, das der Ansicht ist, ein anderes Unternehmen nutze seine marktbeherrschende Stellung aus. Oder es geht um eine anstehende Fusion, bei der Konkurrenten fürchten, das neue Unternehmen könne den Markt allzu sehr beherrschen. Ansonsten scheint das Wettbewerbsrecht nicht viel zu bieten.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass es eine dritte Konstellation gibt, in der dieses Instrument zur Anwendung kommen müsste. Wir sind bereits darauf eingegangen, dass jedwede Marktdominanz, in welcher Weise sie sich auch immer manifestieren mag, schädlich ist. Und zwar auch unabhängig davon, ob ein konkurrierendes Unternehmen da rüber klagt. Wie auch immer Marktbeherrschung letztlich definiert wird – sie sollte an und für sich tabu sein. Entsprechend müssten die zuständigen Behörden von sich aus den Markt beobachten und nötigenfalls eingreifen, wenn sie feststellen, dass bestimmte Unternehmen doch zu stark geworden sind. Diese müssten sie dann zwangsweise in kleinere Einheiten aufsplitten, inklusive aller Unternehmenswerte.
Den nötigen Spielraum, um dies zu realisieren, eröffnet der Vertrag von Lissabon – zumindest innerhalb der Europäischen Union, auf die wir uns hier beschränken möchten. In Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, der durch den Vertrag von Lissabon geändert wurde, heißt es unter anderem: »Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft [hin].« In diesem Absatz 3 von Artikel 3 wird deutlich, dass die Europäische Union den Markt ganz und gar nicht für heilig und unantastbar hält. Im Gegenteil, die Interessen der Allgemeinheit sollen ebenfalls eine Rolle spielen. Von »ausgewogenem Wirtschaftswachstum« kann aber keine Rede sein, wenn gewisse Marktsegmente von einigen wenigen Unternehmen kontrolliert werden. Man wird schwerlich behaupten können, eine Marktwirtschaft sei »in hohem Maße wettbewerbsfähig«, wenn einzelne Unternehmen diesen Anspruch durch ihre marktbeherrschende Stellung zu einer reinen Lachnummer machen. Außerdem soll der Markt nicht nur »in hohem Maße wettbewerbsfähig«, sondern auch noch »sozial« sein, und, wie es am Anfang der Formulierung lautet, »nachhaltig«. Man ist also keineswegs dazu verurteilt, passiv zuzuschauen, wie die Märkte sich entwickeln, und das Ergebnis dieser Entwicklung schicksalhaft hinzunehmen. Erst recht nicht, wenn dieses Ergebnis aus vielen Gründen, die wir bereits ausführlich erläutert haben, nicht akzeptabel, ja sogar ineffizient ist. Im Gegenteil, der Staat muss dann mithilfe des Wettbewerbsrechts selbstständig einschreiten. Das ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union. Und es bedeutet einen schweren Rückschlag für das Dogma des Neoliberalismus, demzufolge Märkte sich so unreguliert wie möglich entwickeln sollten, weil das angeblich für uns alle am besten ist.
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