Nana by Émile Zola & Arnim Schwarz
Autor:Émile Zola & Arnim Schwarz [Zola, Émile & Schwarz, Arnim]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Übersetzung
Herausgeber: Harz
veröffentlicht: 1922-12-31T23:00:00+00:00
Neuntes Kapitel.
[306] Im Varietétheater wurde »Die kleine Herzogin« einstudiert. Eben war der erste Akt durchgenommen und man sollte den zweiten beginnen. Im Proszenium saÃen Bordenave und Fauchery in alten Sesseln und besprachen sich über das Stück, während der Souffleur, Vater Cossard, ein kleiner, buckeliger Greis, mit einem Bleistift zwischen den Zähnen auf einem schlechten Strohsessel saà und in dem Manuskript blätterte.
Auf was wartet man denn noch? schrie Bordenave, mit seinem dicken Stock auf die Bretter schlagend, Barillot, warum wird denn nicht angefangen?
Herr Bosc ist verschwunden, erwiderte Barillot, der als zweiter Regisseur fungierte.
Da gabâs einen Sturm; alles rief nach Bosc. Bordenave fluchte.
Herrgott, es ist doch immer die gleiche Schlamperei. Man klingelt diesen Leuten lange umsonst; sie sind immer, wo sie nicht sein sollten. Dann brummen sie, wenn sie bis vier Uhr bleiben müssen.
Da erschien Bosc mit vollkommener Ruhe.
He, was will man denn von mir? Bin ich an der Reihe? Das hätte man mir sagen sollen ⦠Gut; Simonne, gib das Stichwort: Da kommen unsere Gäste â und ich werde eintreten ⦠Wo muà ich denn eintreten?[306]
Natürlich durch die Tür! rief Fauchery verdrossen.
Ja, wo ist denn die Tür?
Da ereiferte sich Bordenave wieder über Barillot. Er fluchte und schlug mit dem Stock aus Leibeskräften gegen die Planken der Bühne.
Zum Teufel. Habe ich denn nicht gesagt, daà man einen Sessel herstellen soll, um die Tür zu bezeichnen? Jeden Tag muà ich von vorne beginnen? Barillot ⦠Wo ist der wieder hingeraten?
Barillot brachte dienstfertig selber den Sessel, und die Probe nahm ihren Fortgang. Simonne, im Pelz und mit dem Hut auf dem Kopfe, tat, als ob sie mit dem Aufräumen des Zimmers beschäftigt sei.
Sie unterbrach sich dabei, um halblaut zu sagen:
Mir ist kühl, darum werde ich die Hände im Muff behalten.
Dann änderte sie die Stimmung und empfing Bosc mit einem Rufe der Ãberraschung:
Ah, der Herr Graf! Sie sind der erste, Herr Graf; Madame wird sehr erfreut sein.
Bosc trug ein schmutziges Beinkleid, einen groÃen, gelben Ãberzieher und ein ungeheures Tuch um den Hals. Auf dem Kopfe saà ein alter Hut; die Hände steckten in den Taschen. Er sagte mit dumpfer, gedehnter Stimme ohne jedes Gebärdenspiel:
Störe deine Herrin nicht weiter, Isabella; ich will sie überraschen.
Die Probe dauerte fort.
Bordenave lehnte sich in seinem Sessel zurück und hörte mit mürrischer Miene zu.
Fauchery war nervös, wechselte fortwährend den Platz und unterbrach jeden Augenblick die Probe mit seinen Bemerkungen. In dem stillen, dunklen Saale hinter ihm hörte man ein Geflüster.[307]
Ist sie vielleicht hier? fragte er und wandte sich an Bordenave.
Dieser nickte bejahend mit dem Kopfe.
Nana wollte, bevor sie die Rolle Geraldines übernahm, die er ihr angeboten, das Stück sehen; denn sie nahm AnstoÃ, wieder eine Kokottenrolle zu übernehmen. Nach der Rolle einer ehrbaren Frau trug sie Verlangen. Sie saà im Schatten einer Loge versteckt mit Labordette, der sich für sie bei Bordenave ins Mittel gelegt hatte.
Fauchery suchte sie flüchtig einen Augenblick und folgte dann der Probe. Nur die Vorbühne war beleuchtet. Eine einzige Gasflamme brannte, die sich in dem Halbdunkel wie ein groÃes gelbes Auge ausnahm. Vater Cossard hob das Manuskript gegen die Gasflamme, um besser zu sehen.
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