Mutti steigt aus by Tessa Hennig

Mutti steigt aus by Tessa Hennig

Autor:Tessa Hennig [Hennig, Tessa]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Gegenwartsliteratur
ISBN: 9783548920849
Google: du4aAwAAQBAJ
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2014-12-27T16:00:00+00:00


»Ich hab es euch ja immer gesagt. Männer sind Schweine! Es gibt nur wenige Ausnahmen«, ereiferte sich Elke beim gemeinsamen Abendessen auf der Terrasse.

An sich war gegen tröstende Worte, und seien sie noch so banal, pauschal und von der Stange, nichts einzuwenden, aber Elkes Nebensatz in Sachen »Ausnahmen« stieß Sigrun auf. Trost dieser Art war bei Marias angeschlagenem Zustand kontraproduktiv, um nicht zu sagen fatal. Um ein Haar hätten sie die Polizei informiert, denn Maria schien verschollen zu sein. Erst bei Einbruch der Dunkelheit hatte sie sich zurückgemeldet, kreidebleich. Es war naheliegend gewesen, an ein Streitgespräch mit Robert zu denken, aber das, was Maria ihnen aufgetischt hatte, sprengte selbst Sigruns Vorstellungsvermögen.

Zu dem Schock gesellte sich aber nach und nach so etwas wie ein Schmunzeln, denn Sigrun wusste, wie die Männer tickten, und wenn sie jemals einen festen Partner gehabt hätte, einen Seitensprung dieser Art hätte sie ihm vermutlich verziehen. Man konnte ja nicht zeit seines Lebens immer nur Kartoffeln essen, oder so ähnlich. Dies galt auch für Frauen, jedenfalls für sie und ihren Freundeskreis, den sie seit vielen Jahren in Hamburg hatte. Liebe war eine Sache, aber kein Partner konnte dem anderen immer alles geben, alle Gelüste stillen. Gerade bei Maria konnte sich Sigrun lebhaft vorstellen, dass sie beim Sex über die Missionarsstellung nie hinausgekommen war. Edgar hatte also in den Apfel, genau genommen gleich in zwei gebissen, die ihm irgendeine Münchner Schlange gegen Bares vor die Nase gehalten hatte. Na und? Für die streng katholisch erzogene Maria eine Todsünde. Wie konnte sie der Ärmsten nur schonend beibringen, dass Edgar deshalb noch lange kein Schwein war.

»Maria, es war doch nur Sex«, versuchte Sigrun sie zu beruhigen.

Netter Versuch, aber offenkundig die falsche Wortwahl, denn kaum hatte Sigrun ihre Lebensweisheit zum Besten gegeben, brach Maria schon wieder in Tränen aus. Eine Kleenexbox, die Elke griffbereit auf den Tisch gestellt hatte, war bereits halb leer. Elkes Nerven lagen blank, denn sie konnte Maria einfach nicht weinen sehen.

»Ich räum mal das Geschirr weg«, sagte Elke. Plump, aber durchaus eine effektive und vor allem glaubhafte Ausrede, um sich aus dem Sommerregen, der sich in dicken Tropfen aus Marias Augen ergoss, ins Trockene zu flüchten.

»Ich Idiotin«, schluchzte Maria mit überraschend wütender Stimme. »... Die letzten Jahre ... alles umsonst.« »Umsonst?«

»Ich hab doch gar nicht mehr richtig gelebt.«

Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Wie oft hatten Elke und sie versucht, Maria zurück ins Leben zu holen: Single-Busfahrten, Minigolfrunden, Volkshochschulkurse. Nein, Maria wollte ja mit Gewalt allein bleiben. Das nächste Kleenex musste herhalten.

»Ich bin ehrlich gesagt froh darüber, dass Robert dir das erzählt hat«, sagte Sigrun und legte ihr eine Hand auf den Arm.

»Das bin ich ja auch, irgendwo ... Ach, ich weiß nicht.« Maria schneuzte ordentlich und versuchte sich für einen Moment zu fangen.

»Ich stell mir das gerade bildlich vor. Irgend so ein Flittchen macht sich an Roberts kleinem Freund zu schaffen, und en passant huscht sein Vater an ihm vorbei.« Sigrun konnte sich nicht mehr halten.

Es gab auch keinen Grund, Maria nicht mit etwas Humor aufzumuntern, der sich in amüsiertem Kichern manifestierte.



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