Mutter Marie by Heinrich Mann

Mutter Marie by Heinrich Mann

Autor:Heinrich Mann [Mann, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, RawEpub
ISBN: 3546462831
Herausgeber: Claassen
veröffentlicht: 1985-12-31T22:00:00+00:00


Frühmorgens rief sie Valentin an. Sie sei ermüdet, er möge noch nicht kommen. Statt seiner erschien der Präsident.

Er erschien in ausgewählter Eleganz und mit Sitten von verlorengegangener Vornehmheit. Er blieb, als sie sich gesetzt hatte, noch während mehrerer Sätze vor ihr stehn. Er fiel ihr nicht ins Wort. Er bewunderte, womit sie sich umgab und was sie äußerte. Erst als sie ausdrücklich fragte, was er wolle, brachte er einen Brief hervor. Sie hatte so lange nicht gefragt, weil sie seine Absichten fürchtete, wie nichts auf der Welt. Wirklich erkannte sie auf dem Brief die Schrift Valentins und den Namen der Prinzessin.

»Seehase«, sagte sie vor Angst, »den Brief haben Sie gestohlen.«

Ihn verließ der feine Ton nicht. »Ich habe mich, vielleicht zum Schaden meiner Gesundheit, daran gewöhnt, der Prinzessin meinen Morgenbesuch zu machen.«

»Ob Sie sich schaden! Neulich Ihre Ohnmacht!«

»Die Generalin läßt mich vor, weil ich kleine Aufmerksamkeiten bringe.« Er lächelte duldsam. »Heute nun, Frau Baronin, was glauben Sie, daß die Prinzessin heute morgen in meiner Anwesenheit auf silbernem Brett und mit Verbeugung vom Diener überreicht bekommt? Die Leute haben Diener«, sprach er beiseite.

»Was sagte ich, gestohlen« – womit sie nahm und las. Valentin schrieb der Prinzessin, daß er nur vorläufig genötigt sei, das Haus zu verlassen, in dem er sein Liebstes wisse. Sie las nochmals, »mein Liebstes«. Er schloß: »Ich werde dir alles erklären. Wir werden dennoch glücklich werden.«

Sie zerriß den Brief. »Es bedeutet nichts«, sagte sie. Der Präsident sagte höflich: »Wie Sie wünschen.«

Er atmete ein. Hierauf mit großer Schonung: »Ich gestehe meine Schwäche, ich bin an der Prinzessin interessiert. Sie, Frau Baronin, haben nicht weniger Interesse für den jungen Mann. Wir haben schon so viel geleistet für die beiden Kindchen, jeder für seins, daß es kein Wunder wäre, wenn wir uns gemeinsam zur Wehr setzten gegen ihre Verrätereien.«

»Verrä –« Sie fuhr vom Stuhl auf. Schon die ganze Zeit schien ihr Angsttraum ihr weiterzugehn.

Er war sogleich mit aufgestanden. Er erschrak vor ihr. »Unbesonnenheiten, wenn Sie lieber wollen. Unbesonnenheiten.«

Sie stand drohend da. »Das Wort mußte fallen«, sagte sie. »Als Verräter habe ich Sie damals kennengelernt. Wissen Sie noch?«

Er schwieg, nur seine Falten sanken tiefer.

»Wissen Sie noch, Seehase?« Mit Nachdruck: »Sie schickt Gott! Grade heute mußte ich es Ihnen vorhalten. Sie haben mich damals um mein Glück betrogen. Brachten mich dahin, daß ich gerichtlich vorging gegen den einzigen, den ich liebte, und nahmen noch Geld von mir! Ich haßte ihn aber nur, weil er mich betrog, nicht wegen des Schmuckes. Begreifen Sie doch! Nicht wegen des Schmuckes!«

Er sah mit Bedauern zu, wie sie sich aufregte. »Es wird sein, wie Sie sagen«, erklärte er. »Jedenfalls ist es sehr lange her, ich hatte alles vergessen. Sogar Ihr Gesicht, Frau Baronin – obwohl Schönheit unvergeßlich sein sollte.« Er bewegte würdig die Hand. Sie reckte sich.

»Wenn es hundert Jahre her wäre! Bei der Generalin habe ich Sie wiedererkannt.« Es klang wie das Gericht. Er flüsterte:

»Ich Sie auch, Frau Baronin. Ich gebe sogar zu, daß meine Ohnmacht nicht nur auf Rechnung der Prinzessin kommt.«

»Sie sind erkannt, Seehase. Begreifen Sie, was das heißt? Sie stehen nicht mehr als Präsident da.



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