Kling, Marc-Uwe by 03 Die Kaenguru-Offenbarung

Kling, Marc-Uwe by 03 Die Kaenguru-Offenbarung

Autor:03 Die Kaenguru-Offenbarung
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


»KENNST DU DIESEN PINGUIN?«, ruft das Känguru und hält meinem Lektor das Passbild des Pinguins unter die Nase.

»Gutes Foto«, sagt mein Lektor. »Wollen wir das aufs Cover nehmen?«

»Auf keinen Fall«, sage ich. Wir sitzen im Innenhof des Hauptsitzes der Ullstein Buchverlage an einem Gartentisch.

Mein Lektor blättert in den Aufzeichnungen über die Abenteuer, die wir erlebt haben, seitdem das Känguru wieder zurück ist.

»Du musst dir immer klarmachen, dass dieses Buch das Finale eurer Triologie ist«, sagt er. »Und fürs Finale fehlt mir Grandeur.«

»Grandeur?«, frage ich skeptisch.

»Größer, weiter, mehr!«, sagt mein Lektor.

»Eine Jagd rund um den Globus, oder was?«, frage ich genervt.

»Ja! Super. Könntet ihr nicht den Pinguin verfolgen? Der Pinguin ist ja eh eine Art MacGuffin.«

»Eine Art was?«, fragt das Känguru.

»Ein MacGuffin«, sagt mein Lektor, »ist zum Beispiel der Malteser Falke im Malteser Falken, der leuchtende Koffer in Pulp Fiction oder der Datenträger mit der wahren Identität aller CIA-Agenten in jedem zweiten Actionthriller. Hitchcock hat diesen Begriff geprägt. Er bezeichnete damit Objekte oder Personen, die dazu dienen, die Handlung voranzutreiben, selbst aber von keinem besonderen Interesse sind.«

»Kennt ihr Hitchcocks Lieblingswitz?«, frage ich. »Zwei Ziegen fressen die Rollen eines Films auf, der nach einem Bestseller gedreht worden ist. Sagt die eine Ziege zur anderen: ›Mir war das Buch lieber.‹«

»Hitchcock hat auch gerne folgende Geschichte erzählt«, sagt mein Lektor. »Es gab mal einen Drehbuchautor, der hatte seine besten Einfälle meist mitten in der Nacht, konnte sich am nächsten Morgen aber immer an nichts mehr erinnern. Also beschloss er, Papier und Bleistift neben das Bett zu legen. Gleich in der darauffolgenden Nacht hatte er eine tolle Idee. Schnell schrieb er sie auf und schlief zufrieden wieder ein. Am nächsten Morgen schaute er auf den Zettel, und da stand: ›Boy meets girl.‹«

»Worauf willst du hinaus?«, frage ich.

»Kannst du nicht diese angedeutete Lovestory mit Gott ausbauen?«

»Ja, schreib doch, wie du einsam und verzweifelt bist, dann aber zu Gott findest«, sagt das Känguru.

»Entschuldigung«, sage ich empört, »aber Verfolgungsjagden, Lovestorys, Unfug! Ich schreibe hier einen Tatsachenroman! In diesem Buch steht nichts als die Wahrheit …«

»… so wahr dir Gott helfe«, sagt das Känguru.

»Liebesgeschichten. Das ist es, was die Leute lesen wollen«, sagt mein Lektor.

»Oder natürlich Fantasy«, sagt das Känguru.

Ich verdrehe die Augen.

»Ich muss ja gestehen«, sagt mein Lektor, »ich selber lese auch am liebsten Fantasy.«

»Wie bitte?«, frage ich.

»Ich muss für meine Arbeit immer schon so langweilige Sachen lesen«, sagt mein Lektor, »drum schmökere ich in meiner Freizeit gerne in spannenden Büchern.«

»Ich habe ihm auch schon gesagt, er soll lieber über die epische Schlacht zwischen Gut und Böse schreiben«, sagt das Känguru.

»Langweilt euch das eigentlich nicht längst?«, frage ich. »Als Finale immer und immer wieder eine epische Schlacht? Eine epische Schlacht übrigens, die ja in den meisten Fällen auch eine ethnische Schlacht ist. Nach dem Motto: ›Nur ein toter Ork ist ein guter Ork.‹ Und natürlich immer wieder die guten Menschen aus dem Westen gegen die bösen Horden aus dem Osten. Geradezu rassistisch, wenn man mal drüber nachdenkt. Es wäre doch witzig, wenn es als Finale statt einer epischen Schlacht mal eine ethische Schlacht geben würde.



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