Goethe & Schiller, Geschichte einer Freundschaft by Rüdiger Safranski

Goethe & Schiller, Geschichte einer Freundschaft by Rüdiger Safranski

Autor:Rüdiger Safranski
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446235168
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2009-08-23T16:00:00+00:00


Anmerkungen zu diesem Kapitel

Neuntes Kapitel

Herrmann und Dorothea. Goethe plant die dritte italienische Reise. Schiller will ihn zurückhalten. Hölderlin zwischen den Meistern. Goethes Autodafé vor der Reise. Das Briefgespräch über symbolische Wahrnehmung. Goethe auf Schillers Spuren in Schwaben. Die Tell-Idee.

Als Goethe auf dem Höhepunkt des »Xenien«-Streites an Schiller schrieb, man sollte sich nunmehr bloß großer und würdiger Kunstwerke befleißigen, waren bereits drei Gesänge von »Herrmann und Dorothea« fertig. Schiller aber, der sich im Oktober 1796 endgültig für »Wallenstein« entschieden hatte, studierte noch die Quellen, entwarf Dispositionen und skizzierte die Fabel. Während er noch in den Vorarbeiten steckt, kommt Goethe wie im Fluge voran. In zwei Schaffensschüben, jeweils während seiner Aufenthalte in Jena im September 1796 und Februar/März 1797, vollendete er das Werk. Schiller war fassungslos. Während wir andern, schreibt er am 21. Juli 1797 an Meyer, mühselig sammeln und prüfen müssen, um etwas leidliches langsam hervorzubringen, darf er nur leis an dem Baume schütteln, um sich die schönsten Früchte, reif und schwer, zufallen zu lassen. Es ist unglaublich, mit welcher Leichtigkeit er jetzt die Früchte eines wohlangewandten Lebens und einer anhaltenden Bildung an sich selber einerntet, wie bedeutend und sicher jetzt alle seine Schritte sind, wie ihn die Klarheit über sich selbst und über die Gegenstände vor jedem eiteln Streben und Herumtappen bewahrt.

Für Schiller ist das wieder ein Anlaß, an seinem poetischen Talent zu zweifeln. Dabei war er es gewesen, der Goethe zu dem neuen Streich angestiftet hatte. Die Gespräche und der briefliche Austausch hatten sich seit einiger Zeit um die Frage gedreht, ob eine Erneuerung das alten Epos in homerischer Manier möglich sei; ob der gegenwärtige Weltzustand – die prosaischen Verhältnisse – dies überhaupt erlauben würde. Johann Heinrich Voß, der Homer-Übersetzer, hatte mit seiner in Hexametern abgefaßten Idylle »Luise« einen beim Publikum sehr erfolgreichen Versuch eines bürgerlichen Epos unternommen.

Schillers Elegie »Der Spaziergang« von 1795 endet mit dem Vers: Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns. Daß die homerische Sonne tatsächlich noch scheint, dafür wollte Goethe mit »Herrmann und Dorothea« den Beweis antreten. Das Vorhaben wurde ihm erleichtert durch Friedrich August Wolfs Forschungsergebnisse, wonach die homerischen Epen nicht von einem einzigen Autor stammten, sondern eine Sammlung zahlreicher Gesänge verschiedener Autoren darstellten. Es habe keinen Homer gegeben, sondern nur Homeriden. Zuerst war Goethe unangenehm berührt, daß man ihm die Einheit des bewunderten Werkes zerschlug, dann aber fühlt er sich ermuntert. Ein Homer würde er im Fach des Versepos nicht sein können, aber vielleicht ein Homeride? Schon lange, schreibt er an Wolf, war ich geneigt mich in diesem Fache zu versuchen und immer schreckte mich der hohe Begriff von Einheit und Unteilbarkeit der Homerischen Schriften ab, nunmehr da Sie diese herrlichen Werke einer Familie zueignen, so ist die Kühnheit geringer sich in größere Gesellschaft zu wagen und den Weg zu verfolgen.

Goethe selbst war überrascht, wie mühelos und schnell ihm das Werk gelang. In seinen »Tag- und Jahres-Heften« notiert er: Mit Leichtigkeit und Behagen war das Gedicht geschrieben, und es teilte diese Empfindungen mit. Mich selbst hatte Gegenstand und Ausführung dergestalt durchdrungen, daß ich das Gedicht niemals ohne große Rührung vorlesen konnte.



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