Gesammelte Werke - Mark Twain by Mark Twain

Gesammelte Werke - Mark Twain by Mark Twain

Autor:Mark Twain [Twain, Mark]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783736402638
Herausgeber: andhof
veröffentlicht: 2015-12-15T16:00:00+00:00


Dreiundzwanzigstes Kapitel

Deinen Anzug magst du meinetwegen vernachlässigen, doch im Herzen muß alles sauber sein.

Querkopf Wilsons Kalender.

Als wir nach längerem Aufenthalt Adelaide verließen, war unser nächstes Ziel Horsham in der Kolonie Viktoria, eine ziemlich weite, aber nicht unangenehme Reise. Das friedliche Landstädtchen liegt in einer vollkommen flachen Gegend, wie wir sie in australischen Büchern so oft beschrieben finden: während der kurzen Dürre ist sie grau, kahl, düster, trübselig, der Boden rissig und versengt, und der erste Regen verwandelt sie in ein endloses, wogendes Meer von grünem Gras. Horsham sieht freundlich und einladend aus mit seinen hübschen Häusern und den Garten voller Blumen und Gebüschen.

Aus dem Tagebuch. Horsham 17. Oktober. – Wundervolles Wetter. Dem Hotelfenster gegenüber, vor der Londoner Bank von Australien prangt eine schöne kanadische Pappel im herrlichsten Frühlingsgrün; jedes einzelne Blatt ist deutlich erkennbar, man meint ordentlich es wachsen zu sehen. Am Ufer entlang und im hintern Teil des Gartens stehen hohe, vielästige Bäume mit zartem, gefiedertem Laub, das jeder Windhauch bewegt und auf deren üppigem Grün die Streiflichter in wechselnden Farben spielen und funkeln gleich Opalen. Auf meine Frage erfuhr ich, es seien Pfefferbäume, die aus China stammen; sie haben einen weichen Seidenglanz und einige tragen lange Büschel mit roten Trauben wie Johannisbeeren, die sich unter den Blättern verbergen. In der Entfernung sieht der Baum dadurch bei gewisser Beleuchtung aus, als sei er in Rosenfarbe getaucht, was seine Schönheit noch erhöht.

Acht Meilen von Horsham ist eine landwirtschaftliche Schule, die wir besichtigen wollten. Der Vorsteher fuhr uns im offenen Wagen um die Mittagszeit dorthin; die Luft war ganz still, der Himmel wolkenlos und strahlender Sonnenschein – 92° F. im Schatten. In anderen Ländern würde eine solche anderthalbstündige Fahrt ohne Schutz und Schirm die grenzenloseste Erschöpfung zur Folge haben; aber hier, in diesem köstlichen Klima, ist davon keine Rede. Man fühlte die Hitze gar nicht; ja, die Luft war überhaupt nicht heiß, sondern herrlich rein und frisch. Hätte die Fahrt auch den halben Tag lang gedauert, wir würden kein Unbehagen empfunden haben oder matt und schläfrig geworden sein. Nur aus der ungewöhnlichen Trockenheit der Atmosphäre, welche in jener Ebene herrscht, läßt es sich erklären, daß 112° im Schatten dem Menschen dort nicht beschwerlicher sind als eine Temperatur von 80° oder 90° in New York.

Unterwegs sahen wir die gewöhnlichen australischen Vögel – hübsche kleine grüne Papageien, Elstern und andere; auch den schlanken, einheimischen Vogel mit dem dunkeln Gefieder und dem Namen, den ich nie behalten kann; ich weiß nur, daß er mit einem M. anfängt. Er ist der schlauste von allen Vögeln und plappert geläufiger als ein Dutzend Papageien.

Die Elster war überall auf Feldern und Zäunen in Menge zu sehen. Dieser schöne große Vogel hat schneeweiße Flecken und eine tiefe, volltönende Singstimme. Früher soll er bescheiden und schüchtern gewesen sein, aber seit er entdeckt hat, daß er der einzige Sänger von Australien ist, fehlt es ihm nicht an Selbstbewußtsein. Eine zahme Elster zu haben ist ein großes Vergnügen, denn sie besitzt alle Eigenschaften des verzogenen Lieblings – sie ist klug, mutwillig, unverschämt,



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