Germinal by Zola Émile

Germinal by Zola Émile

Autor:Zola, Émile
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Sechstes Kapitel

Johannes war geheilt und konnte wieder gehen; doch seine Knochen waren so schlecht zusammengewachsen, daß er auf beiden Beinen hinkte, und man mußte ihn sehen, wie er in wackeligem Entengang ebenso schnell wie früher mit der Geschicklichkeit eines bösartigen, diebischen Tieres dahineilte.

Diesen Abend stand Johannes bei Anbruch der Dämmerung auf der Straße nach Réquillart auf der Lauer; begleitet von seinen unzertrennlichen Genossen Bebert und Lydia. Auf einem wüsten Felde hatte er sich hinter einem Pfahlzaun verborgen, einer kleinen Gewürzkrämerei gegenüber, die an der Krümmung eines Pfades stand. Eine alte, fast blinde Frau hatte hier einige Säcke Linsen und Erbsen, ganz schwarz vom Staub, zum Verkauf ausgestellt. Johannes schielte mit seinen kleinen Äuglein nach einem alten geräucherten Stockfisch, der, über und über mit Fliegenschmutz bedeckt, vor der Tür hing. Zweimal schon hatte er Bebert ausgesandt, daß er den Fisch herunterhole; aber jedesmal zeigten sich Leute an der Wegkrümmung. Es sei doch ärgerlich, meinte er, daß man in seinen Geschäften gestört werde.

Jetzt erschien ein Herr zu Pferde bei der Wegkrümmung, und die Kinder warfen sich neben dem Zaun platt auf die Erde, als sie Herrn Hennebeau erkannten. Seit dem Streik konnte man ihn oft so auf den Straßen einsam durch die aufrührerischen Dörfer streifend und ruhigen Mutes sich von den in der Gegend herrschenden Zuständen überzeugen sehen. Niemals flog ein Stein an seinen Ohren vorbei; er begegnete nur schweigsamen Leuten, die langsam den Hut zogen; am häufigsten stieß er auf Liebespärchen, die unbekümmert um die Politik in den Winkeln standen. Im Trab ritt er vorüber, das Haupt emporgerichtet, um niemand zu stören. Er sah sehr wohl die drei Kinder in einem Haufen beisammen, die Jungen mit dem Mädchen. Selbst die Kinder suchten sich schon dieses elende Leben zu erheitern! Mit Tränen in den Augen verschwand er steif im Sattel, den Rock militärisch zugeknöpft.

»Verdammt! Wird das heute kein Ende nehmen?« fluchte Johannes ... »Geh, Bebert, zerre den Fisch am Schwanz.«

Doch jetzt kamen wieder zwei Männer, und der Kleine unterdrückte einen Fluch, als er die Stimme seines Bruders Zacharias erkannte, der Mouquet erzählte, wie er ein Vierzigsousstück in einem Rock seines Weibes eingenäht gefunden hatte. Beide lachten vor Vergnügen und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Mouquet schlug für den nächsten Tag eine große Kolbenspielpartie vor; man solle um zwei Uhr von Rasseneurs Schenke aufbrechen und nach Montoire bei Marchiennes gehen. Zacharias nahm den Vorschlag an. Man solle sie mit dem Streik in Frieden lassen, sagten sie; wenn man nicht arbeite, wolle man sich wenigstens ein Vergnügen gönnen. Damit bogen sie in die Wegkrümmung ein, als Etienne, der vom Kanal her kam, sie anhielt, um mit ihnen zu sprechen.

»Wollen denn die Kerle hier übernachten?« sagte Johannes außer sich. »Es wird schon dunkel, und die Alte wird die Bude zumachen.«

Jetzt kam noch ein Grubenarbeiter, der nach Réquillart ging. Etienne entfernte sich mit ihm; als sie bei dem Pfahlzaun vorüberkamen, hörte der Knabe sie von der Versammlung im Walde sprechen. Man hatte die Zusammenkunft auf den nächsten Tag verschieben müssen aus Furcht, in einem Tage nicht alle Arbeiterdörfer verständigen zu können.



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