Gegen den Strich by Joris-Karl Huysmans

Gegen den Strich by Joris-Karl Huysmans

Autor:Joris-Karl Huysmans [Huysmans, Joris-Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


Neuntes Kapitel.

Dieses Alpdrücken wiederholte sich; er fürchtete sich vor dem Einschlafen. Er blieb stundenlang auf seinem Bett ausgestreckt, bald in anhaltender Schlaflosigkeit und fieberhafter Aufregung, bald in schrecklichen Träumen, in denen er den Boden unter den Füßen verlor, eine Treppe hinunterstürzte oder in einen Abgrund fiel, ohne sich festhalten zu können.

Das während einiger Tage eingelullte Nervenleiden gewann wieder die Oberhand und trat heftiger und eigensinniger unter neuen Formen auf.

Jetzt belästigten ihn die Decken; er erstickte unter ihnen, hatte ein Kribbeln im ganzen Körper, Hitze im Blut. Ein Prickeln peinigte ihn am ganzen Leibe. Zu diesen Symptomen kam bald ein dumpfer Schmerz in den Kinnbacken hinzu und das Gefühl, als wenn seine Schläfen in einen Schraubstock gepreßt würden.

Seine Befürchtungen wuchsen; unglücklicherweise[148] fehlten die Mittel, diese hartnäckige Krankheit zu bezwingen.

Ohne Erfolg hatte er Kaltwasserapparate in seinem Ankleidezimmer herrichten zu lassen versucht. Die Unmöglichkeit, das Wasser auf die Höhe, auf der sein Haus lag, hinaufzuleiten, die Schwierigkeit, es sich in genügender Quantität zu verschaffen in einem Dorf, wo die Brunnen aus Sparsamkeit nur zu gewissen Stunden in Betrieb waren, verhinderte die Benutzung; da er sich nicht durch den Wasserstrahl peitschen lassen konnte, der, kräftig auf die Wirbelsäule gerichtet, mächtig genug war, um die Schlaflosigkeit zu bekämpfen und die Ruhe herbeizuführen, mußte er sich mit kurzen Abwaschungen in seiner Badewanne oder mit einfachen Übergießungen begnügen, worauf er sich von seinem Diener mit Pferdehaarhandschuhen frottieren ließ.

Aber dieses schwache Mittel hemmte das Vorschreiten des Nervenleidens keineswegs; höchstens empfand er während einiger Stunden etwas Erleichterung, übrigens teuer genug bezahlt durch die Rückfälle, die sich immer heftiger erneuerten.

Seine Unzufriedenheit nahm mehr und mehr zu; die Freude, einen seltnen Blumenflor zu besitzen, war verflogen; er war schon gegen ihre[149] Farben und Formen abgestumpft; denn trotz aller Sorgfalt, mit der er sie pflegte, verwelkten die meisten seiner Pflanzen. Er ließ sie daher aus seinen Zimmern entfernen.

Jetzt ärgerte ihn wieder bei seiner Reizbarkeit der leere Raum, den sie vorher eingenommen hatten.

Um sich zu zerstreuen und die endlosen Stunden zu töten, nahm er Zuflucht zu seinen Kupferstichen und ordnete seine Goyas. Die ersten Drucke der »Capriccios«, an ihrem rötlichen Ton erkennbar, früher einmal mit schwerem Gelde erstanden, heiterten ihn auf. Er vertiefte sich in sie und folgte den Phantasien des Künstlers, verliebt in seine phantastischen Szenen, seine auf Katzen reitenden Hexen, seine Weiber, die da versuchen, einem Gehängten die Zähne auszureißen, seine Räuber, seine Dämonen und Zwerge.

Dann durchblätterte er alle andern Serien seiner Radierungen und Aquatintazeichnungen, seine unheimlichen »Sprichwörter«, seine wilden Kriegsskizzen, seinen Kupferstich des Garot, von dem er einen wunderbaren Künstlerabdruck auf dickem Papier, von sichtbaren Wasserstreifen durchzogen, besonders gern hatte.[150]

Das wilde Feuer, das herbe, stürmische Talent von Goya fesselte ihn; aber die allgemeine Bewunderung, die seine Werke erlangt hatten, brachten ihn trotzdem etwas von ihm ab, und er hatte daher davon abgesehn, sie einrahmen zu lassen, aus Furcht, daß, wenn er sie zur Schau stellte, der erste beste Einfaltspinsel es für nötig hielte, Dummheiten darüber loszulassen oder vor Entzücken außer sich zu geraten.

Es ging ihm ebenso mit seinen Rembrandts, die



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