Frauenpower auf Arabisch by Karim El-Gawhary

Autor:Karim El-Gawhary [El-Gawhary, Karim]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-14T17:00:00+00:00

Umm Naama, die Heldin des täglichen Überlebens am Stadtrand von Kairo

4. März 2013

Jenseits der großen Ringstraße, die die 18-Millionen-Einwohner-Stadt umgibt, Richtung Nildelta, ist nur noch die Armut zu Hause. Über staubige, nicht asphaltierte Straßen, an denen sich der Müll stapelt, geht es kilometerlang dahin, an die Grenzen der Stadt, wo sich die Häuser in die Kleefelder fressen. Eselskarren und kleine Motorrikschas, sogenannte Tuk Tuk, sind die Hauptverkehrsmittel. Die Gassen hier sind so eng, dass sich die Nachbarn über die Straße die Hände reichen könnten. Bevölkerungsdichte lässt sich in Ägypten immer an der Menge der Wäsche ablesen, die an Leinen vor den Balkons hängt. Hier gibt es an diesem Tag keinen einzigen Balkon, dessen volle Wäscheleine nicht auf die beengten Wohnverhältnisse hinter den unverputzten Mauern deutet.

Das Mittagessen: ein Teller Pommes frites

In einer Parterre-Wohnung in einem der illegal gebauten Häuser lebt Nour Zaki, oder Umm Naama, die Mutter von Naama, wie sie nach ihrer ältesten, achtjährigen Tochter von allen genannt wird. Drei weitere Kinder, der sechsjährige Mahmud, seine zwei Jahre jüngere Schwester Zeinab und die zweijährige Fatma, die ihre Mutter alle die „kleine Kartoffel“ nennen, toben durch die kleine Wohnung, die aus einem Gang und zwei kleinen Zimmern besteht, von denen wegen der Feuchtigkeit die Farbe blättert. Nur Zeinab stoppt für kurze Zeit das Spiel, um ihrer Mutter in der Küche zu helfen. Sie schält die schrumpeligen Kartoffeln, die so winzig sind, dass sie in ihrer kleinen Kinderhand verschwinden. Die Ausschussware vom nahegelegenen Markt, die die Händler billiger abgeben, ist das einzige, was sich die Familie leisten kann. Eine halbe Stunde später sitzen die Kinder zu viert rund um einen Teller Pommes frites – ihr Mittagessen.

Umm Naama serviert Tee, stellt das Tablett auf einen Plastikhocker und entschuldigt sich, dass sie keinen Tisch besitzt. Alle Gedanken der 33-Jährigen kreisen um die Frage, wie sie ihre Familie durchbringen kann. „Ich habe am Tag zehn Pfund für Essen zur Verfügung“, erzählt sie. Das ist umgerechnet ein Euro und zehn Cent für die ganze Familie beziehungsweise weniger als 20 Cent pro Kopf. „Morgens kaufe ich Ful, braune Bohnen und Brot für zwei Pfund“, rechnet sie vor. Weitere drei Pfund gehen für ein Kilo Ausschusskartoffeln und die billigsten überreifen Tomaten drauf. Eine Packung Reis kostet mindestens drei Pfund. Bleiben zwei Pfund für Zutaten wie Speiseöl bis Salz und was immer sie Billiges auf dem Markt findet.

Als das Spiel der Kinder in der engen Wohnung immer wilder wird, zückt Umm Naama eine Viertelpfundmünze und schickt die Kinder zum Kiosk, damit sie sich dort die kleinste Chipstüte besorgen. Es ist ein Paradox der Armut, dass man sich immer nur die kleinsten Packungen leisten kann, auch wenn man mit einer großen Chipstüte im Verhältnis mehr für sein Geld bekommt. Aber die ökonomischere Familienpackung kann sich Umm Naama nicht leisten. Doch auch zwei, drei Chipsflocken für jedes Kind werden die Kinder nicht nur beschäftigen, sondern auch die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit verlängern.

Auf die Frage, wann die Familie das letzte Mal Fleisch gegessen hat, muss sie lachen und schiebt ihr blaues Kopftuch zurecht.

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