Finsterherz by Ravensburger

Finsterherz by Ravensburger

Autor:Ravensburger [Quidt, Jeremy de]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ravensburger
veröffentlicht: 2010-09-09T22:00:00+00:00


Teil II

Felissehaven

Meiserlann

Der Hafen war vollkommen vereist. Das Eis bildete eine kompakte Decke bis zu der kleinen Insel, auf der das Kloster des heiligen Becca des Älteren stand. Dort, wo die ein- und ausströmenden Gezeiten es in kleine Platten zerbrochen hatten, zeigte sich zwischen den Schollen klares Wasser von der Farbe brünierten Stahls. Lastkähne mit schlaffen Segeln bahnten sich ihren Weg durch die natürlichen Kanäle bis zu den Hafendämmen, während die großen Schiffe, deren Fracht auf die kleinen gelöscht wurde, am äußersten Rand des Eises in der kalten, aufgewühlten See schwankend vor Anker lagen.

Felissehaven, die Stadt des lächelnden Engels.

Der Legende nach hatte ein Engel den heiligen Becca zu der vorgelagerten Insel geleitet und, im Bug eines kleinen Bootes stehend, mit seinen Flügeln auf jene Stelle gewiesen, an welcher der Heilige niederknien und beten sollte.

Und Becca hatte gehorcht. Er war ans Ufer gewatet, hatte sich unter den Blicken des Engels mit den nackten Beinen auf die harten, spitzen Steine gekniet und die Hände zum Gebet gefaltet.

Das war lange her. Man hatte an eben jener Stelle ein Kloster errichtet. Davon waren jetzt allerdings nur noch Ruinen übrig und vom heiligen Becca nichts als morsche Knochen in einem goldenen Schrein. Aber der Engel lebte weiter– lächelte aus Hunderten von kunstvollen Schnitzereien und Bleiglasfenstern in den Kirchen von Felissehaven auf die Menschen herab. Manche Leute behaupteten, es hätte den Engel nie gegeben; andere sagten, er sei nie weggegangen. Der einzige Beweis für seine Existenz waren jetzt die Schnitzereien an den Häusern und das Glas in den Fenstern– und das Abbild seines Gesichts auf den Goldmünzen der Stadt und dem offiziellen Siegel des Herzogs.

Felissehaven. Das waren Häuser mit vergoldeten Giebeln, getrennt durch schmale, kopfsteingepflasterte Gassen. Das waren kunstvoll gestaltete goldene Turmspitzen, die in der kalten Wintersonne blitzten, breite Straßen und verfallene Häuser. Und auf dem Hügel, hoch über allem, stand der herrliche Palast, von dem aus der Herzog und sein Rat auf den kostbaren Schmuck der Bauwerke herabblickten, die sich im Schutze der Stadtmauern unter ihnen aneinanderdrängten. Auf all dies blickten sie herab und regierten mit eiserner Hand.

Am Tag nach ihrem Anfall war Katta verwirrt und schwer von Begriff. Mathias machte sich Sorgen um sie. Er hatte noch nie jemanden in diesem Zustand gesehen, nicht einmal Gustav hatte sich so gebärdet, als er krank gewesen war. Katta konnte nur stockend reden, so als müsste sie über jedes einzelne ihrer Worte nachdenken, bevor sie es aussprach. Das zu sehen tat weh, deshalb blieb Mathias neben ihr sitzen und hielt ihre Hand. Erst am Nachmittag begriff sie so richtig, wo sie sich befand, und da war es schon zu spät, um noch aufzubrechen. So verging ein ganzer Tag, bevor sie sich wieder auf den Weg machten.

Zwölf Meilen waren es noch bis hinunter zur Stadt. Mathias saß auf dem Pferd und Katta lief langsam nebenher. Ihr Kopf tat entsetzlich weh. Stefan ging auf der anderen Seite des Pferdes und hielt Abstand. Beide taten so, als gäbe es den anderen nicht. Es herrschte ein unbehagliches Schweigen. Während der Rast im



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