Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren by Ricarda Huch

Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren by Ricarda Huch

Autor:Ricarda Huch [Huch, Ricarda]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung)
veröffentlicht: 1896-12-31T23:00:00+00:00


* * *

XXIV.

Es ging nun schlimmer und schlimmer in allen Dingen. Die Arbeit an den Wasserwerken gerieth wirklich ins Stocken, da weder der Senat noch Privatleute sich mit den nöthigen Geldmitteln betheiligen wollten. Wenn man ein gründliches Vertrauen in das ganze System gehabt hätte, so würde es schwerlich dazu gekommen sein. Nun aber hatten sich allerlei Gerüchte erhoben, daß etwas schwindelhaftes dabei sei, welche einen gewissen Grund darin hatten, daß die Anlage nicht buchstäblich nach dem Programm verlief, welches Karlsen aufgestellt hatte, indem sich im Praktischen Schwierigkeiten aufthaten, die er nicht vorausgesehen hatte, die er aber überwinden zu können fest behauptete. Durch alles dies wurden Onkel Harre und Ezard, welche das Unternehmen befürwortet und eingeleitet hatten, gleichfalls in ein zweifelhaftes Licht gestellt. Der Norweger, welcher nicht durch vaterländische Anhänglichkeit an unsere Stadt gebunden war, ließ seinem Groll in mehreren Druckschriften, die er veröffentlichte, freien Lauf. Darin sagte er dem Senate sehr scharfe und unliebsame Dinge über seine Saumseligkeit und Gleichgültigkeit gegen das allgemeine Wohl, sprach davon, wie er das Geld aufhäufe, wie ein jeder von ihnen täglich nicht nur sein Huhn, sondern seinen Aal in der Suppe habe, wie sie durch ihr eigenes Wohlleben dem Staate einen Anstrich von Behäbigkeit zu geben wüßten, was aber alles nur äußerliche Ausstaffirung und Ueberladung mit unechtem Golde sei; denn inzwischen mangle es am nothwendigsten, und der arme Mann müsse in seinen engen, schmutzigen Häusern nicht nur unreine Luft athmen, sondern sogar faules Wasser trinken.

Solche Angriffe erbitterten die Behörde nur um so mehr, und sie glaubten, einem Fremden, der ihnen so unwirrsch seine Meinung sage, müsse man zeigen, daß man sich nicht einschüchtern lasse. Aehnliche Auslassungen gegen den Senat erhoben sich auch von einer andern Seite, diese aber richteten sich zugleich gegen meinen Onkel und meinen Vetter, während Karlsen im Gegentheil mit ihnen verbündet erschien. Jener Rheinländer nämlich, Namens Philipp Wittich, den ich früher als einen Anbeter Galeidens erwähnt habe, hatte aus praktischen Gründen, oder vielleicht weil die Modernen sich damals überhaupt mit Vorliebe mit der Analyse des Körperlichen abgaben, das Studium der Medizin ergriffen, glücklich zu Ende geführt und sich zunächst als freiwilliger Assistenzarzt am Spitale unserer Stadt niedergelassen. Seine sozialistischen Ideale hatten unter der medizinischen Wissenschaft keineswegs gelitten; er war, wie dies sein Beruf mit sich bringen mochte, bedeutend schneidiger, rücksichtsloser und ich möchte sagen noch beschränkter geworden, indem es nun mit seelischer Eigenart behaftete Menschen garnicht mehr für ihn gab, sondern nur noch nach dem Zweck variirende Organismen, denen man, wenn man sie zum Beispiel in der Längsrichtung auszudehnen wünschte, dazu nur den Brodkorb immer höher und höher hängen müßte. Die wichtige und vielbesprochene Angelegenheit der Wasserwerke veranlaßte ihn, in voller Rüstung auf den Kampfplatz zu springen. Gegen den Senat brachte er etwa dasselbe vor wie der Norweger, nur für den Volksgeschmack mit großen Uebertreibungen dargestellt, zugleich aber wandte er sich an die Unternehmer, die eine gemeinnützige Anlage für sich hätten ausbeuten wollen, weswegen es nicht schade um sie sei, wenn sie nun jämmerlich darin stecken blieben, was sie aber leider



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