Eisbombe by Glaser Brigitte

Eisbombe by Glaser Brigitte

Autor:Glaser, Brigitte [Glaser, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783863583200
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2015-03-04T16:00:00+00:00


NEUN

Jindars Anruf erreichte mich vor den Regalen mit Trockenpilzen bei meinem diensttäglichen Großeinkauf.

»Arîn wird die Lehre abbrechen«, sagte sie. »Sie kommt nicht wieder.«

»Warum rufen Sie mich an? Kann Arîn nicht mehr reden?«, fragte ich ärgerlich, aber da hatte Jindar schon aufgelegt.

Eine Weile starrte ich auf zusammengeschrumpelte Steinpilze, Pfifferlinge, Champignons und Morcheln. Getrocknet und von grau-brauner Farbe lagerten sie in ihren Cellophantüten wie für die Ewigkeit haltbar gemacht. Dabei hielt nichts ewig. Alle verließen mich! Holger würde nach Paris gehen, Eva ein Baby bekommen, und Arîn wollte die Lehre abbrechen. Wieso? Stimmte es überhaupt, oder hatte die Schwester ihr das eingeredet? Der Vater Druck gemacht? Ach, nichts als Ärger hatte ich mit diesem Mädchen! Ich schob den Wagen von den Schrumpelpilzen weg, erledigte meine Einkäufe, verstaute alles im Kofferraum und fuhr in die Köln-Arcaden nach Kalk. Auf jeder Etage des riesigen Einkaufszentrums gab es Schuhgeschäfte, ich klapperte sie alle ab, bis ich Cihan im Tiefparterre fand, damit beschäftigt, einer greinenden Dreijährigen ein Paar Sandalen anzuprobieren.

»Brauchst du ein Paar Schuhe?«, fragte sie über den Schreihals hinweg.

»Arîn will die Lehre hinschmeißen, sagt Jindar. Weißt du was davon?«

»Psst«, machte Cihan zu mir und deutete mit dem Kopf auf eine miesepetrige Endvierzigerin zwei Schuhregale weiter, wahrscheinlich ihre Chefin. Dann lächelte sie die Mutter an, während sie dem Kind, das weiter plärrte, die Sandalen wieder auszog. »Also die passen exakt«, sagte sie beim Aufstehen und reichte der Mutter die kleinen mit rosa Herzchen verzierten Sommerschuhe. Sie rückte sich Jeans, Nietengürtel und BH, die beim Knien verrutscht waren, zurecht und kniff der Kleinen in die Backen. »Kasse ist am Eingang links.« Ein Seufzer der Erleichterung entwich ihrem Mund, als die Mutter mit dem Schreihals langsam von dannen trottete und sie die anprobierten Kinderschuhe in Kartons zurücksteckte.

»Warum soll Arîn die Lehre hinschmeißen?«, fragte sie dann leise. »Hat ihr Vater die Sache mit Justus erfahren? – Xwedê!«, fluchte sie, als ich ihr die Vorkommnisse des gestrigen Tages geschildert hatte. »Das kann nur auf Jindars Mist gewachsen sein. Die ist schon lange sauer, weil ihr Einfluss auf Arîn immer geringer wird. Arîn wird nie das Kopftuch nehmen, da kann sie sich auf den Kopf stellen! Bestimmt hat sie den Bullenbesuch genutzt, um Onkel Firat davon zu überzeugen, dass Arîn in schlechte Kreise geraten ist. Ich muss sofort meine Mutter anrufen. Die hat den meisten Einfluss auf ihn.«

Sie holte mir ein Paar Schuhe zum Probieren, tat so, als würde sie mich beraten, bückte sich dann zwischen zwei Schuhregale, damit ihre Chefin nicht sah, wie sie telefonierte, und flüsterte mit ihrer Mutter. Ich prüfte in der Zeit die Schuhauswahl und behielt die Chefin im Blick.

»Dayê redet mit Firat. Sowie ich was höre, rufe ich dich an«, flüsterte Cihan und ließ schnell ihr Handy in der Hosentasche verschwinden. »Brauchst du nicht doch ein Paar Schuhe?«

Sie verkaufte mir tatsächlich ein paar schlangengrüne Slippers, die exakt den Farbton einer meiner Leinenblusen hatten, und die misstrauische Chefin lächelte ein falsches Einkaufsparadies-Verkäuferinnen-Lächeln, als ich bezahlte.

Auf dem Weg zur Arbeit fiel mein Blick in die wieder sonnenbeschienene Cafeteria des Polizeipräsidiums.



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