Einer zuviel im Klassenbuch by Otti Pfeiffer

Einer zuviel im Klassenbuch by Otti Pfeiffer

Autor:Otti Pfeiffer [Pfeiffer, Otti]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


12

Ich hatte gedacht, jetzt wird alles wunderbar, jetzt brauche ich nur noch auf der Welle obenauf zu schwimmen, das Glück trägt mich von einem Tag zum anderen.

Aber es wurde nicht wunderbar, es wurde schlimm. Und schuld an allem war Lutz Windig. Den gab’s ja auch noch, auch wenn es ihn nicht gab. Wär er doch bloß nie erfunden worden! Schon am nächsten Tag kam der Knall. Ich ging nach der Schule mit zu Klaus. Er wollte mir eine Schallplatte von Emerson, Lake & Palmer leihen. Ich wußte die Ehre zu schätzen, denn er trennte sich nicht gerne von seinen Scheiben. Er opferte einen großen Teil seines Taschengeldes für Platten. Gut. Wir standen in bester Stimmung vor der Haustür. Jedenfalls meine Stimmung war ganz oben. Tina machte uns die Tür auf. „Mach dich auf was gefaßt!“ sagte sie ohne Begrüßung.

„Was ist denn los?“ fragte Klaus.

„Mensch, das mußt du doch am besten wissen! Es ist ein blauer Brief gekommen. Dicke Luft hier.“

„Soll ich gehen?“ fragte ich.

„Bloß nicht! Wenn du dabei bist, kann es nicht so schlimm werden.“ Klaus drückte mir die Hand. Tina grinste, als sie es sah.

„Wette, ihr seid verliebt!“ sagte sie.

„Dieser blöde Brief wir d mir noch den ganzen Tag vermiesen. Meine Mutter kann ganz schön sauer werden.“

„Und dein Vater?“

„O jeh, mein Vater! Er schimpft, schmeißt mit solchen Schlagwörtern um sich wie verantwortungslos - doch nur ein dummer Junge, den man an die Kandare nehmen muß - keine Einsicht - kein Durchblick - nicht genug Verstand und so weiter! Und dann zieht er mich zur Verantwortung, ha.“

„Klaus? Bist du es?“ rief seine Mutter aus der Küche. „Ja!“ antwortete Klaus. Leise sagte er zu mir: „Heute gibt’s Sauerkraut mit Kaßler.“

„Komm her!“ Die Stimme von Frau Paßmann klang kalt. Meine Mutter hatte so eine Stimme gar nicht. Ich hätte mich gerne verdrückt, aber Klaus zog mich mit sich in die Küche.

Frau Paßmann sah und entgegen, sie hatte den Wisch von der Schule in der Hand. Mich beachtete sie nicht. Sie fuhr Klaus mit dieser kalten Stimme an: „Willst du mir erklären, was das zu bedeuten hat?“ Klaus nahm den Zettel, wir lasen ihn gemeinsam. Der teilweise vorgedruckte Text informierte die Eltern des Schülers Klaus Paßmann darüber, daß sich der Direktor veranlaßt sieht, das Verhalten des Sohnes mit einem verschärften Tadel zu rügen. Und dann folgte die Aufzählung der Missetaten.

Klaus schwieg.

„Jeder von uns kriegt so einen Brief“, mischte ich mich ein, weil ich das Gefühl hatte, irgend etwas müßte gesagt werden.

„Das ist mir egal, du bist mir eine Erklärung schuldig!“ sagte Klaus‘ Mutter. Sie sprach akzentuiert, gewähltes Hochdeutsch, das machte den Ernst der Situation noch deutlicher.

„Nimm es nicht so tragisch, Mutti, es war ein Streich, den wir unserem Lateinlehrer gespielt haben, weil es so schönes Wetter war. Er versteht keinen Spaß.“

„Spaß?! Nennst du das Spaß, wenn ihr offen Widerstand leistet? Ist das Spaß? Wo kommen wir da hin? So benimmst du dich? Weißt du nicht, was sich gehört? Es ist eine Schande, es ist eine Schande.“

Sie machte eine Pause. Vielleicht wußte sie nicht richtig weiter.



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