Die türkische Mätresse: Historischer Roman (German Edition) by Ralf Günther

Die türkische Mätresse: Historischer Roman (German Edition) by Ralf Günther

Autor:Ralf Günther [Günther, Ralf]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2015-02-23T00:00:00+00:00


Bender, im Frühjahr 1713

Ismail Pascha, der Seraskier von Bender, hatte Fatima und dem Scheferschaha Bey ein Gefolge beigegeben, das eines Herrschers würdig gewesen wäre. Die Unterhändler saßen in einer von Mohren getragenen Sänfte. Federbuschgeschmückte Tscherkessen bliesen und trommelten die Soldaten des Feldlagers beiseite. Karls Armee bestand aus abgerissenen, zerlumpten Gestalten, denen man ansah, dass sie ihrem Dasein keinen Sinn mehr abringen konnten. Der Bey war erschüttert, als er sie sah. Fatima schlug die Hand vor den Mund. »Sie müssten nicht arm und zerlumpt sein«, sagte der Bey. »Der Großherr schüttet jeden Tag eine Wagenladung Gold vor Karl aus. Er befolgt die Regeln der Gastfreundschaft auf das genaueste.«

»Wie konnte er sich und seine Soldaten nur in diese Lage bringen?«

Der Bey wusste die Antwort: »Maßlosigkeit. Blutdurst. Hochmut.«

»Ich kenne ihn nur als jungen, ein wenig kränklichen Mann. Erzählt mir von ihm als König.«

Und während die Mohren ihren Weg durch die Wälle und an den Lagerfeuern vorbei suchten, erzählte der Bey:

»Sein Leben war Krieg. Kaum gekrönt – gerade erst wuchs ihm der Flaum auf den Wangen – griff er seine Erzfeinde, die Dänen, in ihrem eigenen Lande an – und gewann. Das gab ihm den Mut, den Schritt auf den Kontinent zu wagen. Er schiffte sich ein und zog mit Degen und Feuer über Nordeuropa. Viele Jahre war ihm das Kriegsglück hold. Die Russen, die Dänen, die Sachsen – er überwand, was sich ihm in den Weg stellte. Doch dann, mit dem Erstarken Peters, erwuchs ihm ein mächtiger Gegner. Aus dem Jäger wurde ein Gejagter. Und endlich, vor der Festung Poltawa, war das Schwert geschmiedet, mit dem man ihn erlegen sollte. Die Niederlage war ein Weg in die Hölle. Drei Jahre sind vergangen, doch man erzählt sich immer noch davon. Und wenn du in die Augen dieser zerlumpten Soldaten schaust, Fatima, dann ist dort der Tag der Schlacht noch immer lebendig.«

»Fahre fort in deiner Erzählung«, verlangte Fatima, während sich die Sänfte langsam dem Scheitel der Anhöhe näherte, auf der Karl ein festes, aber schlichtes Steinhaus hatte errichten lassen.

Der Bey räusperte sich: »Peter hatte bittere Niederlagen gegen Karl erlitten. Doch an diesem Tag, den 8. Julius 1709 nach Eurem Kalender, wollte er die Scharten allesamt auswetzen. In den Sümpfen rings um Poltawa hatte er auf einer Anhöhe eine uneinnehmbare Befestigung errichtet. Den einzigen Zugang hatte er mit Bastionen geschützt und diese wiederum mit Kanonen gepflastert, um die Schweden wie Hasen zu jagen. Doch Karl, dem alle Berater vom Kampfe abrieten, hatte eine List ersonnen: Er wollte die starken Geschütze am Zugang zum russischen Feldlager vor dem Morgengrauen, noch im Schutze der Dunkelheit, umschleichen. Der Plan schlug fehl. Teile der Armee trafen zu spät ein, der Morgen graute, und die Schweden, die sich tief ins Gras geduckt hatten, wurden entdeckt. Die Hasenjagd begann …« Während Fatima lauschte, war ihr Gesicht mehr und mehr von Schrecken gezeichnet. Die Schilderung weckte Erinnerungen. Sie wusste, wie Kanonenschüsse klangen. Nur zu genau. Der Bey schien ihre leichenhafte Blässe nicht zu bemerken. »Des Königs List war schuld an seinem Untergang«, fuhr er fort.



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