Die Leuchtturmwärterin by Dieckmann Guido

Die Leuchtturmwärterin by Dieckmann Guido

Autor:Dieckmann, Guido [Dieckmann, Guido]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7517-4778-3
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2023-09-29T00:00:00+00:00


23

I n den folgenden Tagen fand Nelly kaum eine Gelegenheit, den Leuchtturm zu verlassen, denn das Wetter wurde wieder schlechter. Nicht nur, dass es ohne Unterlass regnete, zudem zogen heftige Sturmböen vom Meer über die Küstenregion. Die Fischerboote lagen fest vertäut im Hafen, nicht einmal die Wagemutigen trauten sich bei diesem Wetter aufs Meer hinaus.

Nelly wartete ungeduldig darauf, dass sich das Wetter besserte. Sie war nervös und fühlte sich noch einsamer als zuvor. Zwar kämpften sich Mintje und Henk jeden Morgen durch den eisigen Wind und die peitschenden Regenschauer, doch weder Mutter noch Sohn waren in diesen Stunden in der Stimmung, Nelly Gesellschaft zu leisten. Sie erledigten ihre Arbeiten in Küche, Lager und Laternenhaus gewissenhaft, blieben aber keinen Moment länger im Turm als unbedingt nötig. Nelly fragte sich, ob nun auch die beiden anfingen, an ihr zu zweifeln. Wenn sie Pech hatte, würde über kurz oder lang keiner im Dorf mehr mit ihr reden, weil alle annahmen, sie paktiere mit dem Feind. In Nelly breitete sich ein schmerzliches Gefühl von Trübsinnigkeit aus.

Trotz des Sturms begab sie sich zweimal zum Haus der Leanders, denn sie wollte wissen, wie es um Bram stand. Doch sie wurde jedes Mal schon an der Haustür von einem Dienstmädchen abgewiesen, das ihr erklärte, der junge Mann sei nach wie vor krank und müsse das Bett hüten. Daraus folgerte Nelly, dass es Haart noch nicht gelungen war, seinen Sohn von Haarlem nach Paardendijk zu bringen. Der Hausherr selbst ließ sich verleugnen, sooft Nelly vorsprach. Sein Laden blieb während des Sturmes geschlossen, da ohnehin kaum jemand einen Fuß vor die Tür setzte.

Nelly blieb nichts anderes übrig, als das Ende des Sturms abzuwarten. Da sie weder Telefon noch Besucher hatte, vertrieb sie sich die Zeit damit, ihre Gedanken zu Febe, Piet und dem deutschen Leutnant zu Papier zu bringen und zu überprüfen, ob es nicht irgendein Detail gab, das sie übersah.

An einen Ausflug zu Piets Hütte im Moor war bei diesem Wetter nicht im Traum zu denken. Nelly wäre vermutlich nicht einmal bis zum Strand gekommen. Als sie es schließlich leid wurde, über ihre Halbschwester nachzugrübeln, schaltete sie das Radio ein, das Haubinger ihr verehrt hatte. Der Empfang war schlecht, doch einige wenige Male gelang es ihr, die Nachrichten des britischen Senders BBC einzustellen. Was sie hörte, trug nicht gerade dazu bei, ihre Laune zu heben. Von schweren Fliegerangriffen auf ihre Heimatstadt Berlin und auf andere Städte des Reiches war da die Rede, aber auch von der fatalen Situation der deutschen Truppen in den Weiten Russlands. Schlimmer noch: Die BBC berichtete von Massakern an Zivilisten sowie von anderen Gräueln in abgeschirmten Lagern in Polen. Den Berichten des englischen Senders zufolge zählten hauptsächlich Juden zu den Opfern, die aus dem Deutschen Reich und den von der Wehrmacht besetzten Ländern verschleppt worden waren. Nelly war entsetzt. Sie musste an ihre Eltern in Berlin denken, aber auch an ihre Freundin Barbara und ihren Ehemann. Aus seinem Gefängnis in der Rosenstraße war er befreit worden, doch das lag nun schon einige Monate zurück. Inzwischen hatten sich die Dinge geändert.



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