Die 13 Jahre des Rainer Werner Fassbinder by Berling Peter

Die 13 Jahre des Rainer Werner Fassbinder by Berling Peter

Autor:Berling, Peter [Berling, Peter]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


1977

Das neue Jahr sah den Annaud-Film, also ›unseren‹ Film, unvermutet als ›Candidate to the Academy Award‹. LA VICTOIRE EN CHANTANT war in Paris zu Weihnachten flau gestartet; er fand weder Presse noch Publikumsresonanz. Arthur Cohn, der mit seiner Berliner Firma offizieller deutscher Co-Partner war, setzte sich durch und zog ihn aus dem Verkehr. Er ließ ihn völlig umschneiden und verpasste ihm dann den Titel NOIRS ET BLANCS EN COULEUR, und damit machte er ihn dank seiner gepflegten Hollywoodbeziehungen (in der englischen Version BLACK AND WHITE IN COLOUR) zum Kandidaten der Elfenbeinküste für den Oscar. Wir fanden das alle sehr komisch. Ich war damals gerade in Paris und konnte ihn nicht im Kino sehen, also fuhr ich raus ins Kopierwerk nach Billancourt.

Gestartet wurde gerade, in Frankreich und der Schweiz gleichzeitig, die französische Version von SCHATTEN DER ENGEL (A L'ombre des Anges) – und schon explodiert in einem Pariser Kino eine Rauchbombe. Drohungen, die auf Schnitte oder totalen Aufführungsstopp zielen, Proteste allerdings auch; »zur Verteidigung dieses Angriffes auf die Freiheit der Meinungsäußerung«. In Le Monde steigt der Philosophieprofessor Gilles Deleuze auf die Barrikaden: »Die Liga gegen den Antisemitismus bezichtigt jeden als Antisemiten, der das Wort ›Jude‹ ausspricht (außer bei festgelegten Ritualen einer Totenrede). Kann denn die Liga jede öffentliche Diskussion verbieten, und ist es ihr alleiniges Recht, ohne weitere Erklärung darüber zu entscheiden, was antisemitisch ist und was nicht? ... Wenn Schmids Film verboten oder verhindert werden sollte, so ist das kein Sieg gegen den Antisemitismus. Es wird im Gegenteil gerade ein Sieg sein für einen Neofaschismus und damit der erste Fall, wo man sagen können wird: Also, wo ist denn nun auch nur der Schatten eines Vorwandes gewesen, der als Vorwand hätte dienen können? Einige werden sich dann der Schönheit des Filmes erinnern, seiner politischen Bedeutung und der Art, wie er zum Verschwinden gebracht worden ist.«

Außer in Deutschland und in Frankreich kommt es nirgendwo zu Demonstrationen gegen SCHATTEN DER ENGEL, weder in New York noch in Israel, wo er ganz normal läuft – wie in der Schweiz.

In Zürich und der Westschweiz kommt jetzt auch LE ROTI DE SATAN heraus. Unter »Schriller Irrealitäten-Zoo« stöhnt die Weltwoche: »Der ›Satansbraten‹ ist eine wütende, groteske Attacke auf den Kulturbetrieb, ein Rundschlag, der sich mit selbstquälerischer Hassliebe gegen sich und die Kulturproduzenten richtet. Höhnisch zerfetzt er das Klischee des ›Künstlers in der Krise‹, entlarvt er linke Ambitionen als auswechselbare Attitüde, indem er den Dichter die in ihm steckenden spießigen und faschistischen Tendenzen hemmungslos und skrupellos ausleben lässt« und, was den braven Schweizern besonders aufstößt, »er (macht) sich bitter lustig über das verklemmte Verhältnis des Künstlers zum Geld«. »Ein Überfall wüster Einfälle«, sekundiert die Stuttgarter Zeitung: »...so bequem wollte es Fassbinder Freunden wie Feinden auch nicht machen ... Fassbinder drischt um sich, dass die obszönen Fetzen fliegen ... und landet bei rüder Menschenverachtung ...«. »Des Dichters rüdes Dasein« empfindet auch der Kö lner Stadt-Anzeiger.

Anfang März setzt der WDR endgültig die zehnteilige Serie Soll und Haben ab, auf die Fassbinder bei allem Faschismus-Gerangel immer noch gehofft hatte. Begründung: »Antisemitische und antislawische Akzente der Romanvorlage«.



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