Der Schnee war schmutzig by Simenon Georges
Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-06T16:00:00+00:00
4
Es ist der achtzehnte Tag. Er hält durch. Er wird durchhalten. Denn er hat entdeckt, es kommt allein darauf an, daà man durchhält und daà er sie dann bezwingen wird. Aber geht es wirklich darum? Das ist eine andere Frage, die er zur gegebenen Zeit beantworten wird. Er hat viel nachgedacht. Er hat zu viel nachgedacht. Auch Nachdenken ist gefährlich. Man muà sich einer strengen Disziplin unterwerfen. Wenn er daran denkt, daà er sie bezwingen wird, dann bedeutet das einfach, daà er wieder herauskommt. Und der Ausdruck âºherauskommenâ¹ beschränkt sich nicht auf den Ort, an dem er sich befindet.
Es ist seltsam, wie man drauÃen Worte gebraucht, ohne sich um ihren wirklichen Sinn zu kümmern. GewiÃ, Frank hat nicht viel gelernt, aber das trifft auf sehr viele andere ebenso zu, auf die meisten sogar, und er stellt jetzt fest, daà er sich immer mit Worten begnügt hat, die nur annähernd stimmten.
Diese Frage nach dem Sinn der Worte hat ihn zwei Tage lang beschäftigt. Vielleicht wird er noch einmal darauf zurückkommen.
Jedenfalls, es ist der achtzehnte Tag, und das ist eine absolute GewiÃheit. Er wacht darüber, daà diese GewiÃheit absolut bleibt. Er hat sich eine fast unberührte Stelle der Wand ausgesucht, und jeden Morgen ritzt er mit dem Daumennagel einen Strich ein. Das ist schwieriger, als man denkt. Nicht den Strich einzuritzen, obwohl der Nagel schon ganz kurz geworden ist, sondern nur einen Strich zu machen und sicher zu sein, ihn eingeritzt zu haben. Die Wand ist weiÃgetüncht, was die Sache erleichtert. Aber es war nicht einfach, eine saubere Stelle zu finden, da vor Frank schon viele andere hier gewesen sind.
Auch darf man nicht â das hat er ebenfalls entdeckt â sich dieses und jenes zu genau fragen, weil man hier zum Zweifeln neigt, und er weiÃ, wer zu zweifeln beginnt, ist verloren.
Er wird das Problem ganz allein lösen, vorausgesetzt, daà er sich nicht gehenläÃt und nicht zu träumen anfängt. In gewissen Fragen wird er sehr genau. Am letzten Morgen, den er drauÃen verbracht hat, wuÃte er zum Beispiel nicht das Datum. Er wuÃte es, ohne es zu wissen. Er ist dessen aber nicht sicher, er weià zwar, daà er achtzehn Tage hier ist; er könnte jedoch das Datum seiner Einlieferung nicht genau auf den Tag angeben. So lebt man.
Höchstwahrscheinlich ist heute der 7. Januar. Vielleicht aber auch der 8. Für die Zeit, die âºdavorâ¹ liegt, hat er keine festen Anhaltspunkte. Hier hat er seine Striche.
Wenn er durchhält, wenn er sich nicht gehenläÃt, wenn er sich genügend konzentriert â ohne sich jedoch allzu stark zu konzentrieren â, dann wird er bald begreifen, und dann ist alles klar. Das erinnert ihn an einen Traum, den er schon mehrmals gehabt hat. Es sind eigentlich mehrere Träume, aber der deutlichste ist der vom Fliegen. Er steigt in den Raum auf. Nicht unter freiem Himmel, auf der StraÃe oder in einem Garten, sondern in einem Zimmer, immer in Gegenwart von Zeugen, die nicht fliegen können. Er sagt ihnen zum Beispiel: »Seht doch, wie leicht das ist!«
Er legt beide Hände flach auf die Leere und stützt sich darauf.
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